Schwäche der landesfürstlichen Gewalt. 301
Der Einzige des Hauses, der einigen Sinn für monarchische Größe
zeigte, Herzog Friedrich J., erzwang sich durch einen Verfassungsbruch
das Recht der Truppenwerbung, weil er mit scharfem Blick die Wirren
des dreißigjährigen Krieges voraussah; aber er starb bevor der Erfolg
gesichert war, und sofort entlud sich die Rache des Herrenstandes auf
das Haupt seines klugen Ratgebers Enslin. Der Hochverräter, der
auf dem Uracher Markte unter Henkershänden fiel, blieb fortan das
Schreckbild, das die Herzöge vor kriegerischem Ehrgeiz warnte. Hatte
die Not der Zeit die Aufstellung eines kleinen Heeres erzwungen, so
konnte es den Ständen niemals schnell genug entlassen werden, sie
ließen sich's nicht verdrießen, dem Herzog Eberhard III. noch 1500 Fl.
mehr zu bewilligen, damit er nur außer dem entlassenen Fußvolk auch
seine 170 Reiter abdankte; wenige Jahre darauf brach dann ein gräß—
licher Raubzug der Franzosen über das ungerüstete Land herein. So
ward Altwürttemberg wehrlos. Bei jedem feindlichen Einfall floh der
Hof aus dem Lande, um von fremder Hilfe seine Herstellung zu er—
warten. Auch im achtzehnten Jahrhundert blieb das Heerwesen kläglich;
die kräftigen Söhne des herzoglichen Hauses zogen in auswärtige Dienste,
und der erste Kriegsheld unter ihnen, Friedrich Eugen kämpfte unter den
Fahnen Friedrichs des Großen gegen seine schwäbischen Landsleute. Der
tapfere Stamm, der im Mittelalter allen Deutschen durch kriegerischen
Ruhm voranleuchtete, verschwand aus den Annalen unserer neuen Kriegs-
geschichte; die einzige leidlich befestigte Territorialmacht, welche seit dem
Untergange der Staufer aus dem schwäbischen Ländergewirr emporge-
stiegen war, blieb zweihundert Jahre lang ohne jeden Einfluß auf Deutsch-
lands Geschicke.
Gleich dem Heerwesen verkümmerte auch das Beamtentum unter
der ständischen Herrschaft. Ein großer Teil der Verwaltung lag in der
Hand der übelberüchtigten Schreiber, die ohne akademische Vorbildung als
Inzipienten bei einem Stadt= oder Amtssschreiber eintraten und von da
durch die Gunst der Vetterschaft zu den Stellen der Stadtschultheißen
und Amtleute emporstiegen. Für staatsmännische Köpfe, für neue politische
Gedanken bot dies in Formen erstarrte Gemeinwesen nirgends Raum;
durch lange Jahrzehnte hat die Geschichte Altwürttembergs nur zwei diplo-
matische Talente aufzuweisen: jene wackeren Unterhändler Burkhardt und
Varnbüler, die im Westfälischen Frieden die Wiederherstellung des Her-
zogtums durchsetzten.
Auf die Dauer litt auch das geistige Leben des Landes unter der
Unbeweglichkeit seines Staates. Mit gerechter Freude zählten die Schwaben
die stolze Reihe ihrer Dichter und Denker und fragten, welcher andere
Stamm außer den Obersachsen der Nation so viele Helden des Geistes
geschenkt habe? Feurige Phantasie und forschender Tiefsinn verbanden sich
glücklich in der schwäbischen Natur, und grade die eigensten Züge des