Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

436 II. 7. Die Burschenschaft. 
nicht stören. Im Juli 1818 brachten ihm die Jenenser Burschen, von 
Heinrich von Gagern geführt, einen Fackelzug zur Feier der Geburt seines 
Enkels; da gab er ihnen ein Gelage im Schloßhofe, erschien selber jugend— 
lich heiter auf dem Altane und betrachtete lange freudestrahlend das 
muntere Treiben drunten. Zur Taufe des Prinzen lud er dann, nach 
dem patriarchalischen Brauche der Ernestiner, mit allen übrigen Korpora— 
tionen des Landes auch drei Vertreter der Burschenschaft ein, und diese 
gefährlichen Gesellen wurden, wie man in der Hofburg mit tiefer Ent— 
rüstung erfuhr, sogar zur Tafel gezogen und von den neugierigen Hof— 
fräuleins sichtlich ausgezeichnet. Karl August war gerichtet, er hieß in 
Metternichs Kreise nur noch der Altbursche. 
Inzwischen gingen die auf der Wartburg ausgestreuten Saaten auf; 
an vierzehn Universitäten bildeten sich Burschenschaften nach dem Jenenser 
Muster. Ihre Abgesandten traten im Oktober 1818 in Jena zusammen, 
und am Jahrestage des Wartburgfestes kam dort die Allgemeine Deutsche 
Burschenschaft zustande, die freie Vereinigung der gesamten deutschen 
Studentenschaft zu einem Ganzen, „gegründet auf das Verhältnis der 
deutschen Jugend zur werdenden Einheit des deutschen Vaterlandes“. 
Alljährlich sollte im Siegesmonde ein allgemeiner Burschentag von Abge— 
ordneten aller Hochschulen sich vereinigen. Die Bestimmungen des Grund— 
gesetzes über den Zweck der Verbindung lauteten durchaus unverfänglich: 
Einheit, Freiheit, Gleichheit aller Burschen unter einander, christlich-deutsche 
Ausbildung aller Kräfte zum Dienste des Vaterlandes. Bedenklich war 
nur der terroristische Geist, der den Zutritt der gesamten Studenten— 
schaft erzwingen wollte, alle anderen Verbindungen „ohne weiteres in 
Verruf“ erklärte und doch das Unmögliche nicht durchsetzen konnte, denn auf 
sämtlichen Universitäten außer Jena blieben einzelne Landsmannschaften 
neben der Burschenschaft bestehen. Dem Partikularismus freilich und 
seinem Führer, dem Wiener Hofe, mußte schon das Dasein dieses „Jugend- 
Bundesstaates“, wie Fries ihn nannte, hochgefährlich erscheinen; hier zum 
ersten Male bildete sich in dem gewaltsam zerteilten Volke eine allgemein 
deutsche Korporation. Die Erscheinung war so neu, daß selbst Goethe be- 
sorgt fragte, ob man denn über ganz Deutschland hin eine Innung dulden 
könne, die dem Bundestage nicht unterworfen sei. 
Während die Burschenschaft also sich immer weiter ausbreitete, wurde 
ihre innere Kraft und Einheit bereits durch ein wüstes Parteitreiben er- 
schüttert. Für die Ideen Rousseaus war ein Geschlecht, das sich an Schillers 
Freiheitspathos begeisterte, von vornherein empfänglich, und nachdem man 
mehrere Jahre beständig in aufgeregtem politischem Gerede verbracht hatte 
mußte die demagogische Partei unvermeidlich an Boden gewinnen. Den 
Herd des akademischen Radikalismus bildete die Universität Gießen. Dort 
im Westen hatten die Doktrinen der französischen Revolution längst feste 
Wurzeln geschlagen; die Willkür des bonapartistischen Beamtentums von.
	        
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