Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

204 III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes. 
Erfindung“ rundweg bestritten; nur die Pflicht, mit ihrem dienenden Arme 
die Kirche zu schützen, liege den Fürsten ob, den protestantischen wie den 
katholischen, denn auch die abgefallenen gehörten zur Heerde des heiligen 
Vaters. Wenn der Staat die Kirche mit Auskünften ausstatte, so gebe er 
ihr nur ihr Eigenthum zurück. Darum bedürften auch die vom heiligen 
Geiste selbst eingesetzten Bischöfe keiner Genehmigung von Seiten der 
Staatsgewalt; der Clerus aber müsse von aller weltlichen Strafgerichts- 
barkeit befreit, seine Erziehung ausschließlich der Kirche überlassen werden. 
Die Denkschrift enthielt nichts weiter als die wohlbekannten unwandel- 
baren Ansprüche römischer Weltherrschaft; überraschend war nur, daß der 
milde Papst dem Könige von England-Hannover, der ihm erst vor drei 
Jahren den Kirchenstaat wieder geschenkt hatte, diese Herzensgeheimnisse 
ins Gesicht zu schleudern wagte. 
Mit einer Macht, die in solchen Grundsätzen lebte, konnte ein stolzer 
Staat niemals zu einer vollkommenen Verständigung gelangen. Daher 
rieth Altenstein schon im Mai 1818, der König möge sich auf keine grund- 
sätzliche Erörterung seiner Hoheitsrechte einlassen, sondern mit der Curie 
lediglich über die eine Reform verhandeln, die nach Kirchenrecht nicht ohne 
den Papst vollzogen werden konnte, über die Abgrenzung und Ausstattung 
der neuen Landesbisthümer. Es währte noch fast zwei Jahre, bis diese 
verständige Meinung völlig durchgedrungen war. Erst im Mai 1820 
wurde der Gesandte beauftragt, der Curie zu eröffnen, unter welchen 
Bedingungen der König den Erlaß einer Circumseriptionsbulle genehmigen 
wolle, und einmal auf ein bestimmtes Ziel hingewiesen, führte Niebuhr 
die Verhandlungen fest und umsichtig, in großem Stile. Die Krone ver- 
mied jede den Grundsätzen der Curie widersprechende Forderung und erbot 
sich von freien Stücken zu einer so reichen Ausstattung der Bisthümer, 
daß der freudig überraschte Papst bereitwillig auf die enger begrenzte 
Verhandlung einging, obwohl er anfangs ein umfassendes Concordat 
gewünscht hatte. Er äußerte nachher, an diesem König habe er nicht einen 
protestantischen Fürsten, sondern einen Erben Theodosius' des Großen 
gefunden. Bei der Berathung der Einzelheiten verfuhr Niebuhr peinlich 
gewissenhaft, so daß Consalvi klagte, der Preuße lasse ihn allzu sehr 
schwitzen, aber auch mit ungeheucheltem Wohlwollen, ganz ohne Hinter- 
gedanken. Das freundliche Einvernehmen ward nicht einen Augenblick 
getrübt. Um die Freiheit der Protestanten zu schützen, bestand der Gesandte 
darauf, daß nicht das gesammte Staatsgebiet, wie die Curie wünschte, 
sondern nur die katholischen Pfarreien und Kirchen nebst ihren Gemeinde- 
gliedern den neuen Sprengeln zugewiesen würden. 
Neun Bisthümer, erheblich größer als die bairischen, sollten fortan 
bestehen: im Osten die vereinigten Erzbisthümer von Posen und Gnesen 
mit dem Suffraganbischof von Kulm, und die dem Papste unmittelbar 
unterworfenen Bisthümer Breslau und Ermeland. Im Westen wurde
	        
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