Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

468 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
als die classische, aber tief begründet in den Bedürfnissen der modernen 
Gesellschaft und reich an eigenthümlichen sittlichen Kräften: denn die 
Mathematik duldet keine Lücke des Fleißes, sie erweckt dem Schüler frühe 
schon den frohen Glauben, daß der Mensch absolute Wahrheiten zu finden 
vermag, und die meisten der technisch gebildeten jungen Leute gingen ins 
Leben mit einer dreisten Zuversicht, welche das Gymnasium seinen Schülern 
nicht immer verleiht, sie fühlten sich stolz an der Spitze der Civilisation 
zu schreiten. Diese realistische Bildung blieb gesund und wohlberechtigt, 
so lange sie bescheiden ihre Schranken einhielt und noch nicht den an- 
maßenden Anspruch erhob, die Universitäten und Gymnasien von der freien 
Höhe ihrer classisch-historischen Weltanschauung herabzustürzen. Alexander 
Humboldt und der Königsberger Astronom Bessel begrüßten die Wandlung 
mit Freuden. Goethe aber schrieb befriedigt, als er Klöden's erstes 
Programm empfing: diese Schrift „belehrt uns von der umfassenden Sorg- 
falt, womit der preußische Staat sich gegen die unaufhaltsam fortstrebende 
Technik unserer Nachbarn ins Gleichgewicht zu stellen trachtet". 
Keck und fröhlich äußerte sich der Lebensmuth dieses neuen Geschlechts, 
wenn Beuth im Gewerbevereine „seine Leibgarde“ um sich versammelte, 
wie der Kronprinz sie nannte. Da war Egells, der Lehrer Borsig's, und 
Feilner, der den Norddeutschen ihren unentbehrlichen Hausfreund, den 
großen weißglasirten Ofen schenkte; der Vergolder Hossauer, der die plattirten 
Metallwaaren nach Deutschland brachte, und viele andere aufstrebende 
technische Talente, allesammt sehr anspruchslos nach unseren Begriffen, 
aber voll thatkräftiger Schaffenslust und im Grunde glücklicher als die 
reicheren Nachkommen. Denn noch war die Welt nicht vertheilt, das 
Massenelend und die erdrückende Uebermacht des großen Capitals kaum 
bemerkbar; weit leichter als heutzutage konnte ein armer Klempnergesell 
wie Hossauer durch die Kraft seines Kopfes und seiner fleißigen Hände 
zu glänzendem Reichthum gelangen. Ohne die feste Ueberzeugung, daß die 
Welt dem Tüchtigen gehöre, hätte dies verarmte Geschlecht nie vermocht 
den Cyclopen unserer heutigen Fabriken ihre Essen anzuzünden. 
Am langsamsten erholte sich die Rhederei von den Schlägen des 
Krieges. Die Handelsflotte hatte im Kriege von 1806 durch die Engländer 
schwere Verluste erlitten, und als Neuvorpommern an Preußen fiel, 
behielten viele der dortigen Schiffe die schwedische Flagge bei, weil sie 
einigen Schutz gegen die Barbaresken bot. Im Jahre 1820 besaß Preußen 
nur noch 705 meist alte und baufällige Schiffe mit 72,435 Last Tragfähig- 
keit; vor den Kriegen hatte man an der Küste von Barth bis Memel ihrer 
1102 gezählt. Während der letzten Kriegsjahre war die preußische Flagge 
von der hohen See fast verschwunden; jetzt galt es ihren tief geschädigten 
Ruf herzustellen, einen Stamm von tüchtigen Seeleuten zu erziehen. 
Dies gelang der neu gegründeten Navigationsschule in Danzig und den 
Schifffahrts -Elementarschulen von Memel, Pillau, Stettin, Stralsund.
	        
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