Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Vermittlung von Preußen und Württemberg. 359 
fallen lassen, wenn dadurch nur endlich das Elend der Binnenmauten 
aufgehoben würde.*) Anders empfand die große Mehrzahl der Liberalen; 
sie dachte von dem Musterlande der konstitutionellen Freiheit nicht eine 
Geviertmeile aufzuopfern, und ihr Entschluß stand umso fester, da sie 
auch den Zollvereinsplänen mißtraute. Der Hauptverkehr des langge- 
streckten Landes ging von Norden nach Südc und konnte durch den An- 
schluß an Bayern-Württemberg wenig gewinnen. Nan übersah oder wollte 
übersehen, daß dieser Anschluß nur das Mittel belden sollte zur späteren 
Vereinigung mit Preußen; unleugbar war der bayrische Plan zu fein, zu 
verwickelt, um sogleich vom Volke verstanden zu werden. 
überall in Baden sprach man begeistert von einem gesamtdeutschen 
Zollverbande; denn so viel Boden hatte die Idee der deutschen Handels- 
einheit durch Preußens Siege doch gewonnen, daß niemand mehr sie 
schlechthin zu verwerfen wagte. Freilich benutzten viele badische Liberale 
das schöne Wort vom allgemeinen deutschen Zollvereine nur als ein Schurz- 
fell, um die Blöße ihrer partikularistischen Selbstsucht zu bedecken. Wie 
behaglich lebte sich's doch unter der badischen Handelsfreiheit — auf Kosten 
der lieben Nachbarn! Mit Stolz sah der Badener — so sagte eine Flug- 
schrift des Rastatter Kaufmanns F. Meyer „über die Zollverhältnisse Ba- 
dens“ — wie die Nachbarn aus dem Elsaß, aus Schwaben, aus der Rhein- 
pfalz in „das wohlfeile, gastfreie“ Ländle kamen, um dann ihre billigen 
Einkäufe über die heimatliche Grenze hinüberzuschmuggeln. Nimmermehr 
sollte diese gemütliche Unordnung durch eine gewissenhafte Grenzbewachung 
beseitigt werden. Der Freiburger Handelsstand stellte dem Landtage vor: 
ein Zollverein „wird rechtliche, sittlich gute Menschen in eine Rotte von 
Zöllnern, Schmugglern, Spionen und Gaunern verwandeln“ — wobei nur 
verschwiegen ward, daß die große Mehrzahl der badischen Geschäfte, zumal 
die Kolonialwarenhandlungen, dem Schleichhandel längst als Herbergen 
dienten. Noch kräftiger sprach das Straßburger Konstitutionelle Deutsch- 
land: „Maut, Maut, preußische Maut erhalten wir! Unglückliches 
Vaterland! Im geheimen, im Dunkel der Nacht wird sie dir gegeben! 
Wehe dir, Kammer von 18311“ Als Großherzog Leopold sein Oberland 
bereiste, wurde er überall dringend gewarnt, und Winter, der in Fragen 
der großen Politik immer ratlos war, wagte nicht einer scheinbar so 
starken Volksüberzeugung zu widersprechen. 
So schleppte sich der Zank durch fast anderthalb Jahre dahin. Die 
beiden vermittelnden Höfe boten alle ihre Beredsamkeit auf. Der Berliner 
sprach sanft, der Stuttgarter schroff; denn König Wilhelm sah sein Land 
unmittelbar unter dem badischen Schmuggel leiden, er drohte dem Karls- 
ruher Hofe geradezu: Bayern und Württemberg würden „dem bisherigen 
  
*) Bürgermeister Weimar in Wertheim an Fürst Georg von Löwenstein, 28. Mai- 
J. Georg von Löwenstein an Otterstedt, 30. Mai 1831.
	        
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