Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

448 IV. 7. Das Junge Deutschland. 
des Prinzen Friedrich von Preußen und die reichen Grundherren der 
Nachbarschaft belebten im Winter die Gesellschaft. Es war ein frisches, 
kräftiges Treiben, Werkeltag und Festtag fröhlich verbunden, die Künstler 
fast alle noch jung und seliger Hoffnung voll. Wenn Mendelssohn ein 
Musikfest veranstaltete oder die Maler einen Maskenzug aufführten, dann 
zogen die neuen Dampfer im Flaggenschmuck rheinab und rheinauf, lange 
Wagenzüge bedeckten die schönen Straßen des volkreichen bergischen Lan— 
des, Tausende von Schaulustigen eilten herbei wie zum Karneval im nahen 
Köln. In diesen rheinischen Festen kam der alte freie Humor unseres 
öffentlichen Lebens, der in der Stubenluft des letzten Jahrhunderts ganz 
eingetrocknet war, zuerst wieder zu seinem Rechte. Immermann aber 
fühlte sich in diesem neuen schöneren Studentenleben erst wahrhaft frei, 
er wußte jetzt, was er vermochte. Er trat an die Spitze des Düsseldorfer 
Theaters; denn er traute sich's zu, der verwilderten deutschen Bühne 
wiederzugewinnen, was sie seit dem überhandnehmenden Virtuosentum 
fast verloren hatte: das geordnete, streng geschulte Zusammenspiel aller 
Mitwirkenden und die lebendige Teilnahme der Bestgebildeten der Nation. 
Und wirklich bewährte er sich als dramaturgischer Meister; seine Einsicht 
und sein eiserner Wille brachte mit mittelmäßigen Schauspielern Auffüh— 
rungen zustande, welche den strengsten Anforderungen genügten. Leider 
währte diese glänzende Blüte der Düsseldorfer Bühne kaum drei Jahre, 
da die Geldmittel der Stadt nicht auslangten. 
In solchem Getümmel von Amtsgeschäften und Theaternöten, in einer 
unruhigen Zeit, die nur dem fragmentarischen Schaffen günstig schien, fand 
Immermann noch die Kraft, sich für seine beiden reifsten Werke zu sam- 
meln. Ein Glück für den Künstler, daß die Tagespolitik ihn kalt ließ. Als 
konservativer preußischer Beamter war er mit der bestehenden Ordnung 
im wesentlichen einverstanden, obwohl ihre Mängel seinem sarkastischen 
Blicke nicht entgingen; der Zeitungslärm der Liberalen ekelte ihn an, und 
von seinem Jugendfreunde Heine wandte er sich ab, seit er die Hohlheit 
des neuen Radikalismus durchschaut hatte. Frei über den Parteien stehend 
wollte er in dem Romane „die Epigonen“ den Werdegang der Zeit dar- 
stellen, und das Werk ward in der Tat als Geschichtsbild noch bedeut- 
samer denn als Dichtung. Wohl hatte der Dichter die alte Unart der 
Reminiszenzen noch nicht ganz überwunden, die Anklänge an Wilhelm 
Meister ließen sich nur zu deutlich hören; und bis zum Unleidlichen wider- 
wärtig erschien an seinem Epigonen Hermann der fast allen Romanhelden 
gemeinsame Charakterzug der bestimmbaren Schwäche. Aber wie tief und 
geistvoll, Licht und Schatten gerecht verteilend, schildert er den Umsturz 
der alten Gesellschaft: hier den alten Adel, der mitten im selbstverschul- 
deten Untergange noch den ästhetischen Reiz der Vornehmheit behauptet, 
dort das aufstrebende Bürgertum mit seinem tüchtigen Fleiße, seiner Prosa, 
seiner pharisäischen Herzenshärtigkeit — alles treu nach dem Leben, denn
	        
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