114 V. 2. Die Kriegsgefahr.
Goldes, die syrischen Küstenplätze Byblus, Beirut, Saida. Am 2. Nov.
wurde nach kurzer Beschießung das Banner des Großherrn neben den
Fahnen OÖsterreichs und Englands auf den Wällen der unbezwinglichen
Festung Akkon aufgepflanzt. Der junge Erzherzog Friedrich, ein Sohn
des Siegers von Aspern, zeichnete sich bei diesen Kämpfen rühmlich aus,
und groß war die Freude in Wien, da die Welt jetzt zum ersten Male
von einer Waffentat der österreichischen Flotte hörte. Währenddem tobte
im Innern Syriens der Aufruhr, und die Verbündeten trugen kein Be-
denken, die Empörer mit Waffen zu versehen. Also zugleich von der Küste
und vom Binnenlande her bedroht entschloß sich Ibrahim Pascha die
Trümmer seines zerrütteten Heeres nach Agypten zurückzuführen. Die
Herrschaft seines Vaters über Syrien war vernichtet. Nun segelte Kom-
modore Napier, der gefeierte britische Seeheld jener Tage, der auch in
Syrien das Beste getan hatte, mit seinem Geschwader auf die Höhe von
Alegandria und schloß dort am 27. Nov. mit dem erschreckten Pascha
einen Vertrag, kraft dessen Mehemed Ali versprach, sich dem Sultan zu
unterwerfen und die geraubte türkische Flotte wieder auszuliefern; dafür
sollte er, mit Genehmigung der vier Mächte, als Vasall des Großherrn die
ägyptische Erbherrschaft wieder erhalten.
Die eigenmächtige Tat des tapferen Kommodores erregte an den
Höfen allgemeine Verwunderung. Metternich schrieb entrüstet: „Das ist
eine saubere Tollheit. Napier hat bewiesen, daß er sich trefflich aufs
Fenstereinwerfen versteht, er versteht indessen auch die Vernunft in Stücke zu
schlagen.““) Palmerston aber, dessen Übermut seit den syrischen Erfolgen
sehr hoch gestiegen war, heuchelte wieder legitimistische Bedenklichkeiten; er
sagte salbungsvoll: „es ist unvereinbar mit den Grundsätzen der englischen
Regierung, einem Untertan eine politische Gewalt, welche ihm sein Souve-
rän gewährt hat, förmlich zu verbürgen.“““) Bei ruhiger Prüfung mußte
man doch allerseits zugeben, daß Napiers derber Seemannsverstand ge-
nau die Lösung gefunden hatte, welche den Ergebnissen des kurzen Feld-
zuges und den neuen Machtverhältnissen entsprach. Schon vor dem Vertrage
von Alexandria, schon am 17. Nov. hatte Bülow, der unermüdliche Ver-
mittler, auf der Londoner Konferenz durchgesetzt, daß man dem Pascha
den erblichen Besitz Agyptens gewähren müsse. Ward im Oriente ein
Waffenstillstand auf solche Bedingungen hin abgeschlossen, so konnte Frank-
reich seine Zustimmung kaum mehr verweigern, weil Syrien doch für Mehe-
med Ali verloren war, und das in Berlin so sehnlichst gewünschte Ein-
verständnis aller europäischen Mächte stellte sich fast von selbst wieder
her."*)
*) II est à la fois un brise-raison. Metternich an Esterhazy, 21. Dez. 1840.
**) Palmerston an die Lords der Admiralität, 15. Dez. Werthers Weisungen an
Arnim, 17. Nov., an Bülow, 19. Nov 1840.
***) Bülows Bericht, 17. Nov. Arnims Bericht, 22. Nov. 1840.