Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Bistum Jerusalem. 121 
freilich auch die Stätte, wo sich der Glaubenshaß der kirchlichen Parteien 
allezeit am rohesten bekundete; an jedem großen Kirchenfeste mußten in 
der Kapelle des heiligen Grabes die mohammedanischen Kawassen da- 
zwischen fahren, um mit ihren Stöcken und Krummsäbeln Frieden zu 
stiften unter den raufenden Mönchen der Lateiner und der Orthodoxen. 
Unter Mehemed Alis gestrengem Regimente war die Ordnung leidlich 
gewahrt worden; er hatte sogar den Judenmissionaren der Protestanten 
gestattet, ihre Tätigkeit im gelobten Lande zu beginnen. Jetzt da die 
Herrschaft der Pforte durch die christlichen Waffen wiederhergestellt wurde, 
machte man die demütigende Erfahrung, daß die Lage der Christen sich 
verschlechterte. 
Das rohe türkische Recht erkannte nur solche Kirchen an, welche sich 
um ein sichtbares Oberhaupt scharten, die Protestanten waren mithin recht- 
los. Darum verlangte Friedrich Wilhelm in einer Denkschrift, welche ihm 
sein Radowitz ausgearbeitet hatte: in Jerusalem sollten drei Residenten 
ihren Wohnsitz aufschlagen, um, mit Hilfe einer gemeinsamen Garnison 
der Großmächte, die Rechte der drei großen Kirchen Europas zu beschützen. 
Die Denkschrift hatte lediglich kirchliche Zwecke im Auge; an ein deutsch- 
christliches Fürstentum Palästina, wie es H. v. Moltke damals für mög- 
lich hielt, dachte der König nicht von fern. Rußland aber war keineswegs. 
gewillt, die Vorteile, deren die Orthodoxen von altersher in Vorderasien 
genossen, mit anderen Kirchen zu teilen. Freundlich warnte Nesselrode 
vor einem Unternehmen, das die Souveränität der Pforte anzutasten. 
drohe; er und Orlow meinten bedenklich: wenn man in Jerusalem ein 
religiöses Krakau schaffe, so würden die Verlegenheiten des Sultans 
nur wachsen. Auch Metternich schützte Besorgnisse vor wegen der poli- 
tischen Gefahren einer solchen kirchlichen Republik; in Wahrheit betrach- 
tete der Wiener Hof jedes Erstarken des Protestantismus ganz ebenso 
mißtrauisch wie der Petersburger. Nur Frankreich schien den preußischen 
Vorschlägen günstig.) 
Friedrich Wilhelm mußte daher einen Teil seiner Pläne fallen lassen 
und versuchte nur noch der evangelischen Kirche in Jerusalem die Gleich- 
berechtigung neben den Lateinern, den Griechen, den Armeniern zu ver- 
schaffen. Da die englische Staatskirche auf dem Berge Zion bereits 
Grundbesitz erworben und eine Gemeinde gebildet hatte, so wünschte der 
König, daß ein anglikanischer Bischof die Leitung des evangelischen Kirchen- 
lebens übernehme und von den deutschen Protestanten, die in Palästina 
zerstreut lebten, als sichtbares Oberhaupt anerkannt würde. Eine solche 
Unterordnung schien ihm mit der evangelischen Freiheit wohl vereinbar, 
weil er die durch Handauflegung geweihten Bischöfe als rechtmäßige Nach- 
  
*7) Nesselrode, Weisung an Meyendorff, 12. März; Berichte von Liebermann, 
9. Febr., Arnim in Paris, 12. Febr. 1841.
	        
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