Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

234 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung. 
Volke doch auch Unvergängliches geschenkt hatte. Am Felsenstrande von 
Helgoland dichtete er nach der Haydnschen Melodie das Lied „Deutsch— 
land, Deutschland über alles, über alles in der Welt“, das den Grund— 
gedanken des Arndtschen Vaterlandsliedes einfacher, wärmer, lebendiger 
wiedergab und nach langen Jahren erst mit voller Macht auf die deutschen 
Gemüter wirken sollte. Ein andermal in guter Stunde schrieb er die 
einfältig schönen Zeilen: 
Treue Liebe bis zum Grabe 
Schwör' ich dir mit Herz und Hand. 
Was ich bin und was ich habe 
Dank'ich dir, mein- Vaterland! 
Ohne alle Kenntnis der Politik, aber durch sein ungebundenes Wander- 
leben radikal gestimmt, erfreute er seine Hörer zuweilen auch durch politische 
Gedichte, und der Beifall, den diese Improvisationen hervorriefen, berauschte 
ihn dermaßen, daß er sich zum Freiheitsdichter berufen fühlte. Seine „Un- 
politischen Lieder“ waren sehr reich an kräftigen Ausfällen; manche davon 
schmeichelten sich durch ihre leichte sangbare Form in jedes Ohr und 
machten rasch die Runde auf allen Studentenkneipen, so die burschikosen, 
einem alten Schnaderhüpfel nachgebildeten Verse: 
Ist denn gar kein Weg, 
Ist denn gar kein Steg, 
Der uns führt aus dieser Sklaverei? 
Eben wegen dieser volkstümlichen Wirksamkeit erschien das Büchlein, 
das schon die Feuerprobe der Hamburgischen Zensur bestanden hatte, den 
preußischen Behörden hochgefährlich. Durch Beschluß des Staatsmini- 
steriums wurde Hoffmann zu Neujahr 1844 seiner Professur enthoben; der 
König tat nichts, den grausamen Spruch zu mildern, und der Entlassene 
bereiste fortan die deutschen Städte als poetischer Wanderprediger des Ra- 
dikalismus. Überall, wo feurige Patrioten zusammen zechten, deklamierte 
er rührsam: 
Ich bin Professor gewesen, 
Nun bin ich abgesetzt. 
Einst konnt' ich Collegia lesen; 
Was aber kann ich jetzt? — 
worauf denn meist ein geharnischtes politisches Lied oder auch vergnügliche 
Bänkelsänger-Reime folgten. Die warmherzigen Pfälzer und Rheingauer 
konnten sich an ihm nicht satt hören, sie feierten ihn als ein Opfer des 
preußischen Despotismus. Nur bei den Holsten fand er üblen Empfang; 
ihre Zeitungen sagten barsch: hierzulande sei man zu ernsthaft für dies 
ewige Schim-schim-schim und Juch-jsuchhe. Als die Berliner Studenten 
seinen alten Freunden, den Brüdern Grimm einen Fackelzug brachten, da 
erschien Hoffmann plötzlich als ungeladener Gast an einem Fenster, und 
die jungen Leute, deren Anführer wohl mit im Geheimnis waren, be- 
grüßten auch ihn mit jauchzendem Zuruf; darauf Ausweisung des Heimat-
	        
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