Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Hoffmann von Fallersleben. 235 
losen, Untersuchung gegen die jugendlichen Ruhestörer und eine Zeitungs— 
erklärung der Brüder Grimm, die ihren königlichen Schirmherrn doch nicht 
verhöhnen durften, also öffentlich ihre Unschuld beteuerten. Seitdem blieb 
die Polizei dem Dichter auf den Hacken; auch aus anderen Städten ward 
er verwiesen, selbst in seinem Geburtslande Hannover durfte er sich nicht 
zeigen. Endlich fand er eine Zuflucht unter dem Schutze der ritter— 
schaftlichen Libertät Altmecklenburgs. Da ein mecklenburgisches Staats— 
bürgerrecht nicht bestand, jeder Rittergutsbesitzer aber befugt war, auf 
seinen Dörfern nach Belieben das Heimatsrecht zu erteilen, so entschloß 
sich der Führer der bürgerlichen Ritterschaft, der liberale Dr. Schnelle, 
den gehetzten Mann auf seinem Gute Buchholz als Ortsangehörigen — 
die liberalen Zeitungen logen: als Kuhhirten — aufzunehmen; und in 
diesem unangreifbaren Schnellischen Reiche konnte Hoffmann fortan immer 
sicher ausruhen, sobald er anderswo ausgewiesen wurde. So war das 
öffentliche Recht des Deutschen Bundes. Solche tragikomische Erbärmlich— 
keiten erweckten selbst im Auslande Spott und Hohn, und zuletzt fiel aller 
Haß auf Preußen zurück. 
Dem leicht erregbaren Selbstgefühle der Gelehrten erschienen diese 
Entlassungen fast noch erträglicher als die beständigen Ermahnungen und 
Verweise von oben her. Als der Hallenser Philosoph Hinrichs, ein sehr 
gemäßigter Liberaler, über Politik las, wurde er herrisch bedeutet, zu sol— 
chen Vorträgen sei er unfähig. Sogar Dahlmann, dessen erstes Auftreten 
zu Bonn Eichhorn selbst mit warmen Worten begrüßt hatte, erhielt nach— 
her einen schnöden Verweis, da er bei einem Fackelzuge einige ganz un— 
verfängliche Worte über die freien Hochschulen, den Stolz des zerstückelten 
Deutschlands sprach. So oft der pflichteifrige Minister auf einer seiner 
zahlreichen Dienstreisen eine Universität besuchte, erging er sich in lehr— 
haften Ansprachen. In Breslau erinnerte er an das credo ut intelli- 
gam; die Professoren in Münster mahnte er, religiöse Gesinnung mit 
wissenschaftlicher Gründlichkeit zu verbinden, die Bonnenser, das öffent- 
liche Recht auf das Studium der Vergangenheit zu stützen und also dä- 
monische Kräfte von sich fern zu halten. Er schien gar nicht mehr zu 
wissen, daß ihm doch nur die äußere Ordnung und Förderung der Uni- 
versitäten oblag, die Gelehrten aber über die Aufgaben der Wissenschaft 
sicherlich mehr nachgedacht hatten als er selbst. Mit vollem Rechte fühlte 
sich die gesamte Professorenschaft beleidigt, als Eichhorn dem Rationa- 
listen Wegscheider in Halle bei dessen Jubiläum nicht bloß die übliche Aus- 
zeichnung versagte, sondern den verdienten greisen Gelehrten zu seinem 
Ehrentage sogar brieflich wegen seiner kirchlichen Haltung wie einen Schul- 
buben abkanzelte. 
Auch wohlgemeinte Verfügungen des Ministers erschienen durch ihre 
verfehlte Form als lästige Bevormundungsversuche eines fahrigen Dilet- 
tantismus. Da Eichhorn richtig erkannte, daß die althergebrachten Katheder-
	        
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