Spaltung der Düsseldorfer Schule. 401
Friedrich Preller in Weimar, des alten Goethe jüngster Schüler, war ein
abgesagter Feind der neuen realistischen französischen Kunst, die von außen
nach innen gehe, während der rechte Deutsche von innen nach außen
wirken müsse. Auch er ging seine eigene Bahn; ihn entzückte die ideale
Landschaft, die er stets als ein Ganzes, durch den Aufbau und den Fluß
der Linien wirken ließ; zugleich verstand er der nackten menschlichen Ge-
stalt so einfach kräftige, klassische Formen zu geben, wie nur sein Freund,
der große Zeichner Genelli. Als er in Unteritalien die Stätten der Wander-
fahrt des Odysseus durchzog, da bevölkerte seine Phantasie ganz von selbst
Felsen, Wald und Meer mit den Bildern des homerischen Helden, die er
sich nur in der feierlichen Größe dieser Natur denken konnte, und in
mannigfachen Entwürfen bereitete er schon sein Lebenswerk vor, den Zyklus
der erhabenen odysseischen Landschaften.
Selbst an dem Stillleben der Düsseldorfer gingen die Kämpfe der Zeit
nicht spurlos vorüber. Wie schnell war doch Wilhelm Schadow zum kirchlichen
Parteimanne geworden, der Liebenswürdige, der früherhin so vielen grund—
verschiedenen Talenten als verständnisvoller Lehrer die Wege geebnet hatte.
Jetzt vergiftete pfäffischer Haß alles Leben am Rhein. Da der tapfere Lessing
unbeirrt fortfuhr, die Helden der Reformationszeit in kräftigen historischen
Bildern zu verherrlichen — immer lebendig und feurig, aber niemals mit be—
wußter Parteilichkeit — so entstanden bald häßliche Zerwürfnisse in der fröh-
lichen Kumpanei des Düsseldorfer Malkastens. Die neuen Nazarener scharten
sich um Schadows Panier. Zu ihnen zählte Deger und manche andere be-
gabte Künstler, die in den Fresken der Remagener Apollinariskirche viel
Gefühl und viel technisches Geschick bekundeten; aber in allen ihren Werken
verriet sich die beschränkte Einseitigkeit eines Sektengeistes, der dem freien
deutschen Gemüte niemals zugesagt hat, und der neue Düsseldorfer Verein
zur Verbreitung religiöser Bilder bemühte sich grundsätzlich, eine katho-
lische, den Ketzern unverständliche Kunst zu fördern. Bei allem Zwist ging
dem munteren Düsselvölkchen der Humor nicht aus; das zeigten Hasen-
clevers derblustige Bilder von den Weinproben der rheinischen Schoppen-
stecher. Am letzten Ende gereichte der notwendige Streit der Düssel-
dorfer Schule zum Heile, er bewahrte sie vor Erstarrung. Außerhalb der
Akademie Schadows entstanden fortan selbständige Malerwerkstätten. In
ihnen wuchs nach und nach ein neues Geschlecht heran: Genremaler, die
nicht ewig die taubenrunden und taubenfrommen altdüsseldorfischen Jung-
frauengesichter malen, Landschafter, die nicht allezeit denselben Mondschein
über denselben rheinischen Burgen erglänzen lassen wollten; sie freuten
sich alle an der Farbenkraft und der lebendigen Charakteristik der belgisch-
französischen Nachbarn. Die Jugend glaubte nicht mehr an den Kern-
spruch Genellis: „der Fisch gehört ins Wasser, der Künstler nach Rom.“
Hatte doch Lessing selbst den Boden Italiens nie betreten. Man begann
zu ahnen, daß die Formenwelt des Südens jetzt nach so langem innigem
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 26