Droysen. Historische Satiren. 411
nahm er mit kühlem Danke an, den zweiten ließ er ungnädig dem Ver-
fasser zurücksenden.“)
Dahlmann und Droysen gebrauchten nur das gute Recht des Histo-
rikers, wenn sie aus den Erfahrungen der Vergangenheit ernste Lehren
für die Gegenwart zu gewinnen suchten. Aber neben dieser berechtigten
Tendenz wagte sich auch die unberechtigte des boshaften Anspielens und
des versteckten Anwinkens hervor, ein schlechtes Handwerk, das sich mit
der Würde der Geschichte nie verträgt. David Fr. Strauß hatte die
letzten Jahre, tief daniedergedrückt durch seine unglückliche Ehe mit der
schönen Sängerin Agnese Schebest, ganz untätig verbracht; und recht
genesen war er auch noch nicht, als er, der ehelichen Fesseln endlich ledig,
seine streitbare Feder wieder ergriff und den lange verhaltenen Groll wider
König Friedrich Wilhelm in der Flugschrift „der Romantiker auf dem
Throne der Cäsaren“ entlud. Das Beste daran war der witzige Titel,
der denn auch genügte, der sehr wenig gelesenen Schrift einen in Zei-
tungen und Büchern dauernden Ruhm zu verschaffen. Julianus, der ge-
waltige Feldherr, der ernste, prosaische, ganz in politischen Sorgen auf-
gehende Staatsmann wurde hier mit dem romantischen Preußenkönige
verglichen, weil der gestrenge Römer die alte mit dem römischen Staate un-
zertrennlich verwachsene Staatsreligion wiederherzustellen versucht hatte
und das Christentum, nach Straußens Ansicht, heutzutage ebenso verlebt
sein sollte wie damals das Heidentum. Nur der verblendete Haß konnte
zwei in Art und Unart so grundverschiedene Charaktere nebeneinander
stellen, und die frostigen Witze über den romantischen Dombau des Tempels
von Jerusalem oder über Julians altgläubige Kabinettsordres ließen den
abgeschmackten Einfall nur noch widerlicher erscheinen.
Geistreicher, kräftiger als Strauß schwang einige Jahre nach der
Revolution sein Landsmann, der Bonner Historiker Otto Abel die Geißel
der Satire, indem er einen — dem preußischen Monarchen unverkenn—
bar verwandten — Charakter schilderte, Theodat, den König der Ostgoten,
den gelehrten Schwächling, der durch friedensselige Tatenscheu das glor—
reiche Erbe großer Vorfahren zerstörte. Abel schrieb nicht mit der
Bosheit des Parteihasses, sondern mit tiefem patriotischem Schmerze,
er störte seine Erzählung durch kein einziges Wort unmittelbarer An—
spielung, und noch heute, da die Halbwahrheit aller solcher historischen
Vergleichungen von der ruhigeren Nachwelt längst durchschaut ist, kann
seine Schrift als ein kleines Meisterstück historischer Charakteristik mit
unbefangener Freude genossen werden. Was Strauß nur in einem übel—
launigen Capriccio flüchtig andeutete, das führte der Berliner Historiker
Adolf Schmidt in der ganzen Breite gelehrter Pedanterei schwerfällig
aus. Seine „Geschichte der Denk- und Glaubensfreiheit“ unter den ersten
*; Nach einer brieflichen Mitteilung von J. G. Droysen.