Full text: Das Interregnum.

er ist lediglich Organ des Reichswillens, ohne an seiner Bildung be- 
theiligt zu sein. So vollstreckt er z. B. die vom Bundesrathe be- 
schlossene Exekution gegen Bundesglieder, die ihre verfassungs- 
mässigen Bundespflichten nicht erfüllen!) u. 8. f. Er ist aber hier 
wie dort unverantwortlich; er ist nicht Beamter des Reiches, nicht 
dessen Präsident im Sinne des Präsidenten einer Republik, nicht 
Unterthan der Reichsgewalt, denn er ist deren Mitträger. Fällt der 
Kaiser weg, so bedeutet das hier in keiner Weise ein Interregnum 
fir das Reich, denn in dem eben umschriebenen Umfange ist der 
Kaiser nicht Subjekt der Reichsgewalt, sondern ihr Organ. 
Ohne Weiteres leuchtet nun ein, dass die Existenz des Reiches 
als solehen durch den Wegfall des Kaisers nicht berührt wird, dass 
das Reich begrifflich unbeeinflusst von der Thatsache bleibt, dass 
es zeitweilig eines Subjekts der Kaiserwürde ermangelt. Insoweit 
der Kaiser als König von Preussen und deshalb als Mitsouverän des 
Reiches fehlt, hat das auf das Reich keinen Einfluss, weil das Reich 
aus Staaten besteht und der Staat Preussen im Interregnum seine 
Existenz nicht einbüsst; insoweit aber der Kaiser auch alleiniger 
Träger der Reichsgewalt ist, bleibt das Reich, auch wenn er fehlt, 
bestehen, da jeder Staat als solcher, wie oben: nachgewiesen, von 
der Existenz eines persönlichen Trägers der Staatsgewalt unabhängig 
ist. Nun geht aber schon aus der oben gegebenen dürftigen Skizze 
der kaiserlichen Rechtsstellung hervor, dass das Reich dem Kaiser 
einen so weiten Kreis staatlicher Rechte und Pflichten überweist, 
dass die diesen entsprechenden Akte, auch wenn der Kaiser nicht vor- 
handen ist, nothwendig vorgenommen werden müssen, wenn das Reich 
mehr als ein blosser Name sein soll. Es fragt sich: welches Sub- 
jekt ist zur Vornahme dieser Akte berufen, und wie charakterisirt 
sich seine Rechtsstellung? Auf die sogenannten Ehrenrechte des 
Kaisers hat das keinen Bezug; denn diese sind Attribute der kaiser- 
lichen Würde, Auszeichnungen, die der Person des Kaisers als solcher 
zur Erhöhung ihres öffentlichen Ansehens zugestanden sind. Diese 
Rechte stehen, wenn ein Subjekt der Kaiserwürde nicht vorhanden 
ist, naturgemäss Niemandem zu. Wie ist es aber mit den anderen ? 
Es bedarf kaum eines Beweises, dass die kaiserlichen Rechte 
beim Mangel eines preussischen Königs nicht etwa von einem an- 
deren deutschen Monarchen „ausgeübt“ werden können; denn in ihrer 
Zugehörigkeit zur Krone Preussen, also praktisch in der dieser Zu- 
—— 
1) RV. a. 19.
	        
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