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ein Vikariatsrecht bei Thronerledigung wenigstens in den sächsischen
Landen zugestanden habe.!)
Die inneren Gründe, aus denen die Vikariatsrechte gerade den
beiden genannten Fürsten allmählich zufielen, sind noch nicht auf-
gehellt. Ein Zusammenhang mit dem Reichsvikariate des Pfalzgrafen
bei Abwesenheit des Königs ist ausgeschlossen; denn der Pfalzgraf
hatte gerade hierauf ein Recht nur in beschränktem Umfange.?) Der
Schwabenspiegel 3) gründet das Recht des Pfälzers auf die Vergebung
der Reichslehen im Interregnum auf sein Richteramt über den König.®)
Bei der Unsicherheit, in der wir uns zur Zeit noch darüber befinden,
ob das Richteramt des Pfalzgrafen über den König, soweit es über
die Entscheidung von Streitigkeiten um Reichsgüter hinausging 5), nur
in der Theorie der Rechtsbücher bestanden habe oder wirklich Rechtens
gewesen sei), werden wir der vom Schwabenspiegel angenommenen
Begründung nicht ohne Weiteres folgen dürfen. Jedenfalls steht die
Entwicklung des Vikariats, wie das Richteramt des Pfalzgrafen, sofern
dies bestand, in engem Zusammenhange mit der Ausbildung pfalz-
gräflicher Spezialrechte überhaupt, die gerade zur Zeit der Rechts-
spiegel und durch sie gefördert sich vollzog.
Was das Vikariatsrecht des Herzogs von Sachsen anlangt, so
ist nicht ausgeschlossen, dass es mit dem Besitze der sächsischen
Pfalzgrafschaft in Verbindung steht.”)
Durch die goldene Bulle ist endlich das Reichsvikariat im Inter-
regnum zum bleibenden Rechtsinstitute gemacht worden, insofern
nunmehr dem Pfalzgrafen bei Rhein und dem Herzog von Sachsen
die Reichsregierung während der Thronvakanz in die Hände gegeben
wird. Damit ist für eine rechtliche Betrachtung des Zwischenreichs
der erste sichere Grund gelegt.
1) Vielleicht bezieht sich darauf auch ein Ausdruck bei Nicolaus Minorita
(Boeumer, Fontes IV. S. 602), wo gesagt wird, der Papst handle, wenn er das
Vikariat über Deutschland in Anspruch nehme, „in praeiudicium dicti comitis
Palentini et aliorum fidelium imperii prelibati.“
2) SCHRÖDER 8.&. 0. S.467;; vgl. bes. Kurkes oben S.27, Note1 erwähnte Schrift.
3) Lehnr. Lassb. c. 147. vgl. Landr. Lassb. 121c.
4) Vgl. Ssp. III, 52,3; Schwsp. Lassb. 121 cc. 124. 128. 130c.; Lehnr. Lassb. 41 c.
Weitere Citate bei Kurgea.a.0. S. 51.
5) Reichsweisthum von 1274 (MG. LL. II. 399).
6) Vgl. Weizsäcker 8.a.0.; R. Lönne in der Zeitschr. für die ges. Straf-
rechtswissensch. VII. S. 674f.; SCHRÖDER 8. &.0. S. 465.
1) SCHRÖDER 8.&. 0. S. 467 zu Note 85, S. 485 zu Note 68; EıcHHoRn 8.8.0.
IL S. 369. III. 8.70. — Diese Ansicht ist schon in der älteren Litteratur häufig
ausgesprochen worden; vgl. OLENSCHLAGER 8.8.0. S. 152f.