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das seine Gewalt auf einen Einzelnen überträgt, sei es dass
es diesen allein oder auch seine Nachkommenschaft zugleich
dadurch zu Machthabern erhebt. Wenn nun der Thron sich erledigt,
„si populus caret rege“, so erlangt das Volk auch seine Urgewalt,
deren es sich bewusst entäussert hatte, zurück. So wird das Volk
als solches im Interregnum zum Inhaber der Staatsgewalt bis zu dem
Augenblicke, in dem der neue Monarch gewählt wird. Wenn diese
Wahl nicht durch das Volk als Ganzes, sondern durch einzelne seiner
Glieder wie die Wahlfürsten im deutschen Reiche vollzogen wird,
so handeln diese nicht im eigenen Namen, sondern als Repräsen-
tanten des Volks, so üben sie einen Akt der Volksgewalt im Namen
des Volkes aus: „repraesentantes omnes principes et populum Ger-
maniae‘.1)
III. Ganz von derselben Grundlage aus behandelt ALTHusıus ?)
das Interregnum, ALTHUSIUS, jener gewichtige Vorkämpfer der Lehre
von der Volkssouveränetät, der grosse „Monarchomach‘‘, dessen Be-
deutung erst neuerdings verdienstvoller Weise wieder in das rechte
Licht gesetzt worden ist.?) Auch ALTtuusıvus erblickt im Interregnum
die Demokratie, insofern dabei und zwar sowohl nach dem Aus-
sterben jeder Dynastie, wie nach dem Absterben des Wahlkönigs,
das ehemals souveräne Volk wieder in den Besitz der Staatsgewalt
zurück gelangt, deren es sich nur zeitweilig zu Gunsten jener Macht-
haber begeben hatte.*) Diese Theorie des Interregnums knüpft ganz
konsequent an desselben Gelehrten Auffassung vom Monarchen an;
denn in diesem glaubt ALtausıus nichts anderes als den Beamten
oder, wie er sich ausdrückt, den Mandatar des Volkes zu sehen. 5)
Von solchem Standpunkte aus bedeutet der Wegfall des Monarchen
nichts als das Verschwinden eines Organs der Staats-, d. h. der
1) a. a. O. cap. V, vgl. cap. VI, XII und XVII. Aebnlich, namentlich in
der Begründung des Wabhlrechts der Kurfürsten, sind die Ausführungen bei Occam,
Octo quaestiones II. 14, VIII. 3; Dialogus III. 2, 1, 22; NıcoLaus v. Cues, De
concordantia catholica III. 4; Antonius pe Rosetıs, Monarchia (bei Goldast,
Monarcbia 1. S. 252 ff.) I. 47, 48, u. A.
2) Ich gebrauche mit Fleiss den lateinischen Namen, da dessen deutsche
Form (Althus — Althaus — Althusen) nicht sicher feststeht. GiERKE, Jobannes
Althusius S. 10.
3) GIeERKE, Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen
Staatstheorien. (In den Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsge-
schichte VII).
4) Politica methodice digesta (1603): cap. 9; vgl. BLuntscHLi, Geschichte
der neueren Staatswissenschaft S. 82 f.
5) a. a. O. cap. 14f.