Full text: Das Interregnum.

beiden geschlossenen Verträge hinfällig, dann geht der ganze Staat 
aus den Fugen. Das ist aber nicht der Fall, wenn in der Monarchie 
der Monarch ohne Nachfolger abgeht; denn da ist nur der zweite 
Vertrag in suspenso.. Der Staat als solcher bleibt darum doch be- 
stehen; aber bis zur Wahl eines neuen Fürsten, bis zu dem Zeit- 
punkte, wo das in Schwebe befindliche Vertragsverhältniss zwischen 
Fürst und Volk wieder volle Rechtswirksamkeit erhält, herrscht eine 
Art zeitweiliger Demokratie: nicht eine reine Demokratie, 
denn das Volk ist, da das Vertragsverhältniss noch in suspenso, 
noch nicht wieder in den Besitz der Staatsgewalt als solcher ge- 
langt, es hat nur das Recht gewonnen, sie durch seinen Anstoss aus 
sich wieder rechtswirksam, wieder lebendig werden zu lassen. 
VIII. Einen ähnlichen Weg schlägt Bönner !) ein. Auch er geht 
auf die Art der Entstehung des Staates zurück. Diese erfolgt durch 
einen Vertrag, eine Vereinigung der Willen einer Summe einzelner 
Personen, gerichtet auf Erfüllung aller ihrer gemeinsamen Lebens- 
zwecke. Entweder bewendet es bei diesem Vertrage, insofern die 
Vertragschliessenden sich lediglich zu einem Gemeinwesen zusammen- 
schliessen, ohne eine ihnen übergeordnete Gewalt einer oder mehrerer 
Personen zu schaffen — dann entsteht die societas aequalis, die Demo- 
kratie; oder es knüpft sich an den ersten ein zweiter Vertrag, durch 
den die Paeiscenten sich zum Gehorsam gegenüber einem Einzelsub- 
Jekte oder einem Kolleg verpflichten — dann entsteht die Monarchie oder 
die Aristokratie. Das Interregnum bedeutet nun die Auflösung dieses 
zweiten Vertragsverhältnisses, weil der eine vertragschliessende Theil 
ohne Rechtsnachfolger weggefallen ist. Aber der Staat bleibt dabei 
bestehen, weil der primäre Staatsvertrag seine Wirkung nicht ver- 
loren hat. Deshalb ist das Interregnum keine Anarchie, sondern eine 
Demokratie. Wenn während des Interregnums staatliche Funk- 
tionen von einzelnen Personen ausgeübt werden, so geschieht dies 
lediglich im Namen des souveränen Volkes, dem jene verantwortlich 
sind: so ist auch die Wahl des neuen Herrschers, weil ein neuer 
Unterwerfungsvertrag, das ausschliessliiche Recht des Volkes als 
solchen.?) 
IX. Darıss°) hält das Interregnum nur in der Wahlmonarchie 
für möglich. Zwar ist ihm die Erbmonarchie im Grunde ebenfalls 
eine Wahlmonarchie, weil bei dieser wie bei jener das Subjekt der 
  
1) Introductio in jus publ. Pars spec. lib. I. cap. II. 
2) a.a. O. lib. III. cap. IV. 
3) Institutiones jurisprudentiae universalis $ 779%.
	        
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