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lauf die Urbevölkerung oder durch Erlaß von allen
'möglichen Verordnungen nun die ganze Natur
dieser Leute binnen kurzem würde umändern
können. Ich kann es diesen Herren nicht ver-
denken, wenn sie von ihrem Standpunkte aus den
Wunsch hegen, daß nun solche Maßregeln ergriffen
werden; denn es handelt sich ja für sie nicht wie
für das Deutsche Reich darum, auf eine plan-
mäßige Weise einen wichtigen Zugang zu den
Aktiven der Nation zu erhalten, sondern für sie
handelt es sich darum, in verhältnismäßig kurzer
Zeit Geld zu verdienen. Zu lange können sie
nicht draußen existieren und je mehr sie erwerben,
um so besser. An den Lasten, die uns Kriege und
Aufstände bringen, tragen sie zudem nicht mit.
Auf der anderen Seite muß die Reichsverwaltung
— die ja dafür eingesetzt ist, diese Länder zu
entwickeln, den Austausch solcher Güter, die in
Deutschland entweder erzeugt oder verbraucht
werden, zu fördern — sich auf den Standpunkt
stellen, daß sie in erster Linie die Hüterin der in
den Kolonien gültigen Rechts= und Staatsinsti-
tutiomen ist, daß sie demnächst darüber wachen
muß, daß die finanziellen Opfer für die Kolonien,
welche das Reich bringt, in verständigen Grenzen
bleiben; drittens, daß sie die einzige bisher existie-
rende Instanz ist, die in der Lage ist, die Rechte
der Eingeborenenbevölkerung, die ja doch auch
estehen, währzünehmen. Und wenn ich deshalb
bei manchen dieser Wünsche und Beschwerden, die
an mich gekommen sind, mich auf den Standpunkt
stellen mußte: „Nein“ oder „Noch nicht"“, so muß
man daraus nicht entnehmen, daß ich etwa un-
freundlich oder ablehnend oder voreingenommen
bin, sondern daß ich lediglich das Tempo nicht
billigen kann, in dem man einer Bevölkerung, die
Tausende von Jahren in einem anderen Kultur-
zustande war, eine andere Art von Rechtsauffassung,
von Familienverhältnissen und Arbeitsmethode bei-
bringen will. Da muß man andere Wege gehen,
wenn man nicht die schönen, von meinen Vor-
gängern und allen deutschen Beamten in den
Kolonien erzielten Resultate durch gewaltsame,
unnatürliche, aufgepfropfte Versuche in Frage
stellen will. (Bravol)
Das ist der Revers dieser Medaille. Eine
Vergleichung beider Seiten sollte uns wieder auf
den Boden der nüchternen Erwägungen führen,
die ja in dieser Kommission grundsätzlich gepflegt
werden müssen. Wenn ich nun von Ostafrika
selbst spreche, so ist den Herren bekannt, daß ich
dorthin eine Reise gemacht und daß ich mich nicht
mit dem begnügt habe, was man dort gewöhnlich
zu sehen bekommt, sondern daß ich mir gesagt
habe: willst du einen Einblick in das Land haben,
wie es in seiner großen Masse ist, dann darsst du
nicht an der Küste bleiben, sondern mußt dich so-
weit als möglich in das Innere des Landes be-
geben. Die Reise war nicht übermäßig lang.
Ich habe aber doch in dreißig Tagen von Muanza
nach Tabora und zurück ein gutes Stück Ostafrika
gesehen, besonders da ich für Hin= und Rückreise
verschiedene Routen gewählt hatte. Ich habe
mich mit den dortigen Produktionsmethoden be-
faßt, ebenso wie ich mich sehr ausführlich mit den
Produktionsmethoden der Europäer an der Küste
abgegeben habe. Ich glaube über beide ein sach-
verständiges Urteil gewonnen zu haben, soweit es
sich ein volkswirtschaftlich vorgebildeter Mensch,
der das kleine Einmaleins kennt, überhaupt in so
kurzer Zeit bilden kann. Ich kann mich selbst-
redend auch irren. Aber im allgemeinen glaube
ich, daß ich mehr und besseres aus eigener An-
schauung gesehen habe, als die allermeisten der-
jenigen, die über Afrika schreiben und die der öffent-
lichen Meinung ihre Autorität aufzwingen wollen.
H.! Ich stelle den Satz an die Spitze,
den die Petition der Farmer in Ostafrika auch
trägt, nämlich daß das wichtigste Aktivum in
Afrika der Eingeborene ist. Da kommt es
nun darauf an, einmal festzustellen: wie ist denn
die Situation der Eingeborenen da draußen?
Jede Betätigung des Weißen führt ihn natürlich
mit dem Schwarzen zusammen. Nur mit ihm
kann er seinen Boden bestellen lassen und nur
mit ihm den Handel betreiben. Ohne ihn wäre
jede Kolonisation Ostafrikas ganz ausgeschlossen.
Wie aus einem Zusammenleben von Weißen und
Schwarzen dort allein eine Blüte entstehen kann,
so liegt auch überall, wo das Zusammentreffen
stattfindet, der Keim größerer Konflikte — sowohl
für die Beziehungen der Regierung zu den
Schwarzen, als auch für die aller anderen Stände:
der Farmer und Pflanzer, der Kaufleute, selbst
der Missionare.
Die Beziehungen der weißen Regierung zu
den schwarzen Schutzgenossen und das Maß ihres
Einflusses richtet sich stark nach örtlichen Um-
ständen. Sie wissen, daß wir in den volks-
reichsten und wahrscheinlich auch viehreichsten
Teilen des ostafrikanischen Schutzgebietes so gut
wie gar keine Macht ausüben, z. B. über das
ganze Land Ruanda und Urundi. Diese Pro-
vinzen sollen ungefähr fünf Millionen Einwohner
haben und sehr wohlhabend sein. In Ruanda
wird jetzt der Versuch einer Residentur gemacht,
lediglich der Versuch. Wir glauben einen sehr
geeigneten Mann in Dr. Kandt gefunden zu
haben, der diesen Versuch machen kann. Aber
von einem Erwerb dieser beiden Länder für die
Kolonie Ostafrika, für Deutschland, ist vorläufig
weder materiell noch politisch die Rede. Das
bezieht sich aber auf ungefähr die Hälfte der
sämtlichen in diesem Lande ansässigen Einwohner.