Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

W 224 20 
Bedarfes gegeben. Aber der Mann kommt am 
1. April an und er kann am 1. September erst 
ernten. Was soll er inzwischen machen? Die 
Plantagen liegen von den Märkten oft 5 bis 
6 Stunden entfernt. Ich habe in keiner Plantage 
einen Markt gesehen, der ausgereicht hätte, um 
die gesamten Arbeiter zu verproviantieren. Der 
Tag, an welchem der Proviant eingekauft wird, 
ist auch ein schwerer Tag. Usambara ist ein 
Höhenland. Der Arbeiter steigt hinunter, kauft 
ein, besucht auch wohl ein paar Freunde, dann 
geht er mit dem Eingekauften wieder zurück in 
die Berge. Daß er sehr raschen Temperatur- 
schwankungen ausgesetzt ist, kommt hinzu. Ein 
Mann, der bis zehn Stunden schwer gearbeitet 
hat, muß, da er seine Familie aus dem Innern 
nicht mitbringen kann, sein Essen selbst bereiten, 
also bekommt er erst zwei Stunden nach beendeter 
Arbeit etwas zu essen. 
Der Kontrakt ist oft sehr lästig. Er lautet 
nicht auf Kalendermonate, sondern auf Arbeits- 
monate. Ein Lohn von 12 Rupien versteht sich 
für 30 abgearbeitete Tage. Die Sonntage werden 
nicht bezahlt. Die Regentage werden auch nicht 
bezahlt; da gibt es aber wohl Zehrgelder. Kom- 
men Betriebsstörungen vor oder wird der Mann 
krank, so bekommt er nichts, aber um alle Tage, 
wo er nicht gearbeitet hat oder wo kein Betrieb 
war, verlängert sich der Kontrakt. Nach dreißig 
Arbeitstagen bekommt er eine Monatsmarke und 
nach sechs Arbeitsmarken seinen Lohn, wie der 
Kontrakt gewöhnlich lautet, d. h. nach neun 
Kalendermonaten, aber auch erst nach einem 
Jahre und länger. Nimmt der Arbeiter Vorschuß, 
so verlängert sich seine Dienstzeit automatisch. 
Das sind alles Maßnahmen, die eine gewisse 
Not den Pflanzern ausgezwungen hat. Es ist 
nicht etwa der böse Wille oder Ausbeutungssucht 
oder die Neigung, die Leute zu drücken. Die 
Regierung hat seit 1897 nichts getan für eine 
Arbeitergesetzgebung, weil Erfahrungen fehlten. 
Wir haben 1897 ein Gesetz gehabt, dann ist es 
aufgehoben worden und nichts an die Stelle ge- 
kommen. Die Leute sind dadurch auf die Selbst- 
hilfe verwiesen worden und wenn sich jetzt Not- 
stände herausstellen, so darf man die Plantagen- 
besitzer nicht allein verantwortlich machen. Aber 
die Situation ist jetzt unerquicklich. 
Es kommt folgendes dazu. Darunter, daß 
der Mann dreiviertel Jahre weg ist, leidet die 
Fortpflanzung außerordentlich; die Familien find 
verwaist. Ansiedeln im Küstengebiete will sich 
der Neger nicht. Wo er es tut, wird aus dem 
Arbeiter schnell ein kleiner Bauer. Das mögen 
aber zum Teil die Pflanzer nicht und zwar aus 
berechtigten Gründen. 
  
Nun ist aber doch nicht zu verwundern, daß 
unter solchen Umständen die Schwarzen sehr un- 
gern nach der Plantage gehen, wo sie solchen 
Dingen ausgesetzt sind. Ich stehe ganz auf dem 
Standpunkt, daß wir die Arbeiter beschaffen sollen 
und wohlfeil beschaffen müssen auf Grund von 
Maßnahmen, die den Mann dazu veranlassen, 
gern hinzugehen. Nun hat sich aber jetzt die 
Situation dort verändert. Früher war es im 
Innern von Ostafrika schwer, etwas zu verdienen; 
an der Küste konnte der Schwarze etwas ver- 
dienen. Jetzt gehen die Karawanen über den 
Viktoria-Nyansa nach Tabora, nach Udjiji. Nach 
Mrogoro haben wir die Bahn und wollen sie 
weiterführen. Überallhin kommt der Handel und 
der Mann wird angereizt, sich Angenehmes und 
Nützliches zu verschaffen. Die Leute fangen an 
zu bauen, besonders als Ackerbauer, nachdem sie 
die Sicherheit haben, ihre Ernte hereinzubekommen. 
So werden die Leute im Innern des Landes 
begehrlicher. Sie werden besser gestellt und 
können sich alles besorgen, ohne 45 Tage bis zur 
Küste laufen zu müssen. Dadurch wird die 
Situation an der Küste erheblich erschwert. Ich 
will hier Licht und Schatten gleich verteilen. 
Auf die verschiedenen Einzelheiten will ich 
nicht eingehen, aber ich muß noch eins bemerken: 
Die Art, wie die Arbeiter angenommen werden, 
macht auch große Schwierigkeiten. Es sind nicht 
sehr geschickte Leute und manchmal auch nicht 
ehrliche Leute, die das machen. Sie zahlen den 
Sultanen einen Backschisch und dafür bestimmen 
diese die Leute zur Arbeit. „Und gehst du nicht 
willig, so brauch ich Gewalt.“ Dafür kann auch 
der Pflanzer nichts, ganz und gar nichts, aber 
es ist eine der Schwierigkeiten mehr, die die Re- 
gierung hat, die Leute zu besorgen. 
Nun will ich nur der Vollständigkeit halber 
sagen, wie denn die Pflanzer selber diese Miß- 
stände abstellen wollten und dabei bemerken, wie 
die Engländer sowohl in Britisch-Ostafrika als 
auch im Süden diese Frage gelöst haben. 
Es wird zunächst verlangt, daß die Steuer 
von 3 auf 12 Rupien per Jahr erhöht werde, 
und zwar natürlich nur in den Küstenbezirken. 
weil dort die Leute bessere Arbeitsgelegenheit 
haben. Das ist ein Argument, gegen das an 
und für sich nichts zu sagen ist; es klingt unge- 
heuer plausibel. Wenn Sie es aber untersuchen, 
kommen Sie darauf: Die Arbeiter, welche die 
Plantagen haben wollen, wohnen nicht an der 
Küste; infolgedessen wird niemand aus dem 
Taborabezirk, wo er eine oder hbchstens drei 
Rupien bezahlt, sich nun mit Vergnügen nach 
der Küste wenden, wo er das Vierfache bezahlen 
soll. Aber dazu kommt noch etwas anderes. Vom 
Gesichtspunkt der allgemeinen Verwaltung muß
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.