Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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rasch ganz von selbst das leitende Prinzip, der 
Hauptkolonisationszweck, zu werden, dem sich alle 
übrigen erstrebenswerten Ziele unterzuordnen 
haben. Und mit Recht. Denn eine erfolgreiche 
Ansiedlung pflegt auch die übrigen kolonialen 
Zwecke, den Handel mit dem Mutterlande und 
die zweckmäßigste Ausnutzung der natürlichen 
Landeskräfte zu fördern, während sie anderseits 
zur Ausbreitung heimischen Volkstums, heimischer 
Sprache und Sitte dient, das neue Land dem 
Mutterland auch innerlich dauernd zu eigen 
macht und so eine feste Erweiterung der Macht- 
bafis des letzteren bedeutet. Alle großen Kolonial- 
völker der Vergangenheit und Gegenwart, Phö- 
nizier, Griechen, Römer, Spanier, Portugiesen, 
Holländer und Engländer haben ihre Weltmacht- 
stellung und ihren weltbewegenden Einfluß der 
Hauptsache nach auf Siedlungskolonien auf- 
gebaut. Das Band, welches einmal gefestigte 
Siedlungskolonien mit dem Mutterland verbindet, 
ist ein äußerst zähes und kann selbst den staat- 
lichen Zusammenhang überdauern. Australien 
und Kanada würden selbst im Fall einer po- 
litischen Loslösung von England, gleich den Ver- 
einigten Staaten, kaum aufhören, Hochburgen 
angelsächsischen Geists, englischer Sprache und 
Sitte in der Welt zu bleiben. 
Erfüllt demnach ein Kolonialland die Be- 
dingungen, welche einer dauernden Ansiedlung 
des kolonisierenden Volks in größerem, geschlossenem 
Umfang und entsprechender Volkszahl wirklich 
günstig sind, so ergibt sich schon daraus seine 
Einreihung in die vornehmste Klasse kolonialer 
Besitzungen. 
Als ein Siedlungsland im vorstehenden 
Sinne kommt von den deutschen Kolonialbe= 
sitzungen aber allein Südwestafrika in Betracht. 
Mit Ausnahme allerdings seiner Nordwestecke, 
des Ambolandes, dessen Klima der Existenz von 
weißen Familien nicht günstig ist, auch schwere 
Arbeit von Weißen nicht gestattet. Dieser Teil 
des Landes nähert sich in seinem ganzen Charakter 
schon den tropischen Gebieten Afrikas und wird 
als Pflanzungskolonie vorteilhaft zu entwickeln 
sein. In dem ganzen übrigen Gebiet ist das 
Klima als für das Gedeihen der weißen Rasse 
durchaus günstig zu bezeichnen. Ist aber diese 
eine Grundbedingung der Besiedlung vorhanden, 
so entsteht die weitere Frage nach den natür- 
lichen Wertquellen des Landes, auf welche 
mit Arbeit und Kapital eine Entwicklung des- 
selben ausgebaut werden kann. 
Zunächst die zweifellos sehr reichlich vor- 
handenen Erzlager. Trotzdem das gewaltige 
Gebiet bisher nur in ganz unzureichendem Maße 
an einzelnen Stellen prospektiert worden ist, 
liegen bekanntlich bereits eine Reihe wichtiger 
  
geologischer Entdeckungen vor, welche teils (wie 
bei den verschiedenen Kupfer-Vorkommen) direkte 
Funde von Erzlagern darstellen, teils, wie bei 
Diamanten, Gold, Kohle, Zinn, einstweilen erst 
auf die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit des 
Vorkommens dieser Mineralien in abbauwür- 
digen Mengen und Formen hinweisen. Von den 
Kupferminen sind als abbauwürdig erwiesen und 
bereits in Betrieb befindlich die von Tsumeb und 
Guchab im Bezirk Grootfontein. Mit ziemlicher 
Sicherheit kann auch die Rentabilität der Otjo- 
songati-Minen (Bezirk Windhuk) — wenigstens 
für den Kleinbetrieb — angenommen werden. 
Für eine Reihe anderer Minen sind bereits Ge- 
sellschaften gebildet oder noch in der Bildung 
begriffen. 
Schwierigkeiten für alle Minenbetriebe bereitet 
neben der Verkehrsverbindung — namentlich in 
der Mitte und im Süden — die Wasserfrage. 
In vielen Fällen wird sie sich allerdings ohne 
unverhältnismäßige Unkosten lösen lassen. Von 
großer Wichtigkeit ist daneben die Kohlenfrage; 
denn die importierte Kohle, welche für jetzt 
natürlich allein in Betracht kommt, — z. B. beim 
Betrieb der Tsumeb= und Guchab-Mine — ver- 
teuert jedes Unternehmen beträchtlich. 
Es wäre daher z. Zt. das Auffinden abbau- 
würdiger Kohlenlager im Lande bedeutungsvoller 
als etwaige weitere Funde anderer Mineralien. 
Stellen, wo solche Lager nach der geologischen 
Formation verwertet werden können, sind vor- 
handen und es ist dringend wichtig, eingehende 
Probebohrungen so bald als möglich einzuleiten. 
Eine wesentliche Förderüng in der Erforschung 
der Erzvorräte des Landes wird durch die Tätig- 
keit eines Konsortiums zu erwarten sein, welches 
aus Frankfurter Finanzleuten mit einem nam- 
haften Kapital neuerdings gebildet, die Einrichtung 
eines Laboratoriums in Swakopmund bezweckt, 
in dem alle Mineralfunde aus dem Lande fort- 
laufend untersucht, nach den Fundstellen ein- 
getragen und begutachtet werden sollen. 
Neben der Erzindustrie steht als vornehmste 
Besiedlungsbasis die Landwirtschaft. Ihre 
erste natürliche Grundlage bildet die Weide. 
Im Gegensatz zu den relativ geringen Wald- 
resten ziehen sich die Weidefelder in einer Aus- 
dehnung von insgesamt etwa 55 Millionen 
Hektar längs von Süden nach Norden durch das 
ganze Schutzgebiet. Sie repräsentieren den Boden 
für die extensive Farmwirtschaft und damit die 
Grundlage der ersten ländlichen Besiedlung über- 
haupt. Die zweckmäßigste Art der Viehwirtschaft 
ist je nach der Gegend völlig verschieden. 
Im Süden, dem Großnama= und Bastard- 
Land, finden sich neben äußerst nahrhaften und 
zarten Gräsern in großer Anzahl eine Reihe auch
	        
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