Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Bundestruppen in Frankfurt. 305 
wurden diese Anträge bekannt, so hallte ein Aufschrei der Entrüstung durch 
das souveräne Volk von Frankfurt: die Stadtwehr und die prächtigen 
Bonaparthüte ihrer Stabsoffiziere waren der Stolz der Stadt, nimmer 
sollten sie einem deutschen Ausländer gehorchen. In einer bogenlangen 
Erklärung verwahrte der Senat seine Souveränität: hier handle es sich 
nicht um militärische Sicherheit, sondern um „eine primäre politische Maß- 
regel“, und was des Unsinns mehr war. 
Nach abermals dritthalb Monaten, am 3. April wurde endlich abge- 
stimmt, und der Antrag des Ausschusses angenommen. Frankfurt verwahrte 
sich nochmals, und vergeblich verlangte General Piret, daß ihm die Frank- 
furter Truppen, dem Bundesbeschlusse gemäß, nunmehr untergeben würden. 
Bürgermeister Stark erwiderte stolz: das Frankfurter Bataillon hätte schon 
einen Sammelplatz für den Fall einer Ruhestörung angewiesen erhalten 
und schicke überdies jeden Sonntag seine Standeslisten an den General; 
das sei doch wohl genug, unmöglich könne der Bundestag beabsichtigen, „den 
Rechten hiesiger Stadt zu nahe zu treten“. ) Da riß dem preußischen 
Gesandten die Geduld. Er beantragte und setzte durch, daß Frankfurt 
aufgefordert wurde, bis zur nächsten Sitzung die Vollziehung des Bundes- 
beschlusses anzuzeigen. Der Senat aber unterstand sich, am 1. Mai gegen 
diesen Befehl „feierlich zu protestieren“, was sofort als bundesverfassungs- 
widrig zurückgewiesen wurde. Noch nicht genug, er verlangte sogar die 
Abberufung der Bundestruppen, weil Frankfurt vollauf imstande sei, 
die Ordnung selber zu wahren. Eine solche Frechheit erlaubte sich ein 
Stadtstaat, der erst vor neunzehn Jahren durch die unbedachte Groß- 
mut der Mächte seine Souveränität geschenkt erhalten, und dabei alle dem 
Bundessitze obliegenden Pflichten ausdrücklich übernommen hatte. Kein 
Wunder wahrhaftig, daß man jetzt nochmals ernstlich an die Verlegung 
der Bundesversammlung dachte. Aber Nagler widersprach. Preußen rettete 
den Frankfurtern ihre Bundesherrlichkeit; denn der König meinte: ohne 
den Bundestag würde diese Stadt mit ihrer elenden Regierung ein Herd 
der Revolution und namentlich der französischen Umtriebe werden.) 
Nur vierundzwanzig Stunden vergingen seit jener prahlerischen Er- 
klärung des Senats; da ward sie schon durch die Tatsachen Lügen gestraft. 
Am Abend des 2. Mai war die Mannschaft der Konstablerwache schwer 
betrunken in der Wachstube; einige mit den Gefangenen einverstandene 
Kameraden hatten ihr Apfelwein in Fülle vorgesetzt. Schwere Rollwagen 
rasselten mit betäubendem Lärm über das Pflaster der Zeil, so daß 
die Studenten im oberen Stockwerk das Durchfeilen der Gitter ungestört 
beenden konnten. Da drang plötzlich eine tobende Volksmasse gegen die 
  
*7) Pirets Bericht an die Bundesversammlung, 22. April; Stark an Piret 14., 
22. April; Piret an Stark, 19. April 1834. 
*“) Naglers Bericht, 4. Juni 1834, nebst Randbemerkung des Königs. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 20
	        
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