Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Bayerns Zögerung. 369 
Staaten gewannen. Allerdings geben jene großen Zahlen kein ganz zu— 
treffendes Bild, da ein Teil der für das Binnenland bestimmten Ein— 
fuhr in den Häfen und Speditionsplätzen des Nordens verzollt wurde. 
Deutlicher erhellt der unverhältnismäßige Gewinn des Südens aus der 
Tatsache, daß die Verwaltungskosten in Bayern schon während des ersten 
Jahres von 44 auf 16, später auf nahezu 10 % sanken, Bayerns Anteil 
an dem Kaffeezolle sofort auf das Dreifache, bis zum Jahre 1845 auf das 
Fünffache stieg. 
Um auch den leisesten Anschein preußischer Hegemonie zu vermeiden, 
wurde verabredet, daß die alljährlichen Konferenzen der Zollvereinsbevoll- 
mächtigten nicht mehr, wie im preußisch-hessischen Verein, regelmäßig zu 
Berlin sich versammeln sollten; sie wanderten fortan, nach dem Belieben 
der Verbündeten, von Ort zu Ort, der erste Zusammentritt fand in 
München statt. Streitigkeiten wollte man der Entscheidung eines Schieds- 
richters unterwerfen, der durch einstimmigen Beschluß für jeden einzelnen 
Fall zu ernennen war. Doch ist ein solcher Schiedsspruch niemals an- 
gerufen worden — nicht weil die Eintracht ungetrübt bestanden hätte, 
sondern weil der Dünkel der Kleinstaaten den freiwilligen Ausgleich der 
schimpflichen Unterwerfung unter eine fremde Gewalt regelmäßig vorzog. 
Daß Bayern seine Biersteuer behielt, war unvermeidlich. Man begnügte 
sich daher, ein Maximum für die Konsumtionssteuern festzusetzen und die 
allmähliche Annäherung der Steuersysteme in Aussicht zu stellen. In 
einem so lockeren Bunde blieb das liberum veto und das Kündigungsrecht 
für Preußen ebenso unentbehrlich wie für die Kleinstaaten, als ein letztes 
verzweifeltes Mittel, um dem schwerfälligen Körper einen Entschluß zu ent- 
reißen. Nur die Hoffnung auf einen hohen politischen Gewinn konnte den 
preußischen Hof zu so schweren Opfern, zu einer so weitgehenden Nachsicht 
für die Grillen und Eitelkeiten der Mittelstaaten bestimmen. Mit über- 
legener Geduld erwartete Eichhorn, daß aus den fast lächerlichen Formen 
dieses lockeren Vereines doch eine unlösbare Gemeinschaft der Interessen 
emporwachsen müsse. 
Mieg kehrte heim in der festen Erwartung, daß der so überaus vor- 
teilhafte Vertrag ihm die Verzeihung für sein eigenmächtiges Vorgehen 
verbürge. Er täuschte sich schwer. König Ludwig konnte selbständigen 
Willen nicht ertragen, empfing den Freund mit bitteren Vorwürfen; 
daß die preußische Zollordnung sofort provisorisch eingeführt werden sollte, 
schien ihm eine Entwürdigung der bayrischen Krone. Der Minister wollte, 
tief verletzt, sein gegebenes Wort nicht zurücknehmen; er forderte und er- 
hielt seine Entlassung. Die österreichische Partei jubelte; „so gewinnt 
das eigentlich wahre Bundessystem wieder das üÜbergewicht,“ schrieb 
Blittersdorff befriedigt.?) Nunmehr nahm der König die Akten an sich, 
  
*) Blittersdorffs Bericht, 5. Mai 1833. 
v. Treitsch ke, Deutsche Geschichte. IV. 24
	        
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