Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Jubelfeier der Albertina. 237 
greise Philolog Lobeck den Kritiker der reinen Vernunft, dem diese Hoch— 
schule ihren Ruhm verdanke, Burdach aber den volkstümlichsten Schul— 
mann der Provinz, den frommen alten Rationalisten Dinter, dessen Lehr— 
bücher die Regierung eben jetzt aus den Schulen entfernen ließ. Die 
Reden klangen wie eine Kriegserklärung gegen den Minister, und die 
brausenden Huldigungen, welche die Festgenossen den beiden Rednern dar— 
brachten, bewiesen genugsam, daß sie ihren Landsleuten aus der Seele ge— 
sprochen hatten. Als schließlich der Grundstein gelegt wurde für das neue 
Universitätsgebäude, führte der König die ersten Hammerschläge: „Vorwärts 
sei für und für die Losung unserer Hochschule“. In diesem Augenblicke 
trat die Sonne aus den Wolken hervor, und begeistert fuhr er fort: „Ihr 
Vorwärts sei das des Lichts der Sonne, das gleichmäßig ausgestrahlt die 
Finsternis wirklich erhellt, in tiefe Höhlen dringt, das Nachtgefieder ver- 
scheucht, Keime entwickelnd, Blüten entfaltend, Früchte reifend, Früchte, 
an deren Genusse die Menschen gesunden.“ Dann mahnte er zur Gottes- 
furcht, zu Taten der Ehre unter den Fittichen des Adlers, zu „eechter 
Treue, die da weiß, daß man dem Fürsten nicht dient, wenn man seine 
hohen Diener herabzieht“. Schöner, feuriger hatte er selten gesprochen; 
doch die Hörer blieben kalt, sie konnten die Schlußworte nicht verwinden. 
Große Redner fühlen immer selbst zuerst, ob ihr Wort gezündet hat; der 
König schied tief verstimmt, er wußte jetzt, daß seine geliebten Altpreußen 
ihn nicht mehr verstanden. Der alte Schlosser sprach nur die allgemeine 
Meinung der Gelehrten aus, da er sagte: Euer Minister hat mehr auf- 
geregt, als er bewältigen kann. — 
Die Universitäten hätte Eichhorn mit weiser Zurückhaltung wohl fried- 
lich leiten können; im Volksschulwesen hingegen fand er schwierige Auf- 
gaben vor, die sich ohne ernste Kämpfe nicht lösen ließen. Unzweifelhaft 
hatte Altensteins Verwaltung auf diesem Gebiete Großes geleistet: 38 
Lehrerseminare und etwa 30 000 Volksschulen waren in zwei Jahrzehnten 
neu gegründet oder umgestaltet worden; die Technik der Pädagogen konnte 
sich großer Fortschritte rühmen, die Lehrer besaßen durchschnittlich viel 
mehr Kenntnisse als die alten Unteroffiziere, welche Friedrich der Große 
als Schulmeister zu verwenden pflegte. Um gut zu lehren, muß man aus 
dem Vollen schöpfen, etwas mehr wissen, als was man lehrt — an diesem 
erprobten Grundsatz hielt Altenstein immer fest. Doch wie sein Johannes 
Schulze die Gymnasien mit einer Überfülle von Lehrfächern belud, eben- 
so, und in noch höherem Maße wurden die Lehrerseminare durch einen 
wohlmeinenden Bildungseifer überlastet, und man vergaß die nicht minder 
erprobte Wahrheit, daß der Schulmeister nicht zu viel wissen darf, wenn 
er nicht die Freude an seinem schönen anspruchslosen Berufe verlieren 
soll. Ein Stand, der gleichsam zwischen zwei Stühlen saß, der weder an 
der schlichten wirtschaftlichen Tätigkeit der Volksmassen, noch an dem 
schöpferischen Wirken der Gelehrten unmittelbar teilnahm, mußte, wenn
	        
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