672 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes.
blühte die republikanische Phrase, ohne die dynastische Gesinnung im
mindesten zu beeinträchtigen. In Weimar führten der wenig begabte,
aber rechtschaffene Großherzog Karl Friedrich und seine edle wohltätige
Gemahlin, die einst von Schiller besungene Maria Paulowna eine harm—
lose patriarchalische Herrschaft, desgleichen in Meiningen Herzog Bern—
hard Erich Freund, und in Gotha begann der junge Herzog Ernst II. mit
großem Geräusch ein liberales Regiment, das dem Landadel schon viel zu
weit ging. Wildschäden gab es freilich in Menge, und der Unterhalt so
vieler Höfe verschlang ganz unverhältnismäßige Summen, doch dafür war
auch das ganze Waldgebirge ein wohlgepflegter schöner Wildpark zur
Freude des Volks, und von den Ausgaben der Höfe wurde doch ein großer
Teil väterlich zum Wohle des Landes verwendet. Die Lächerlichkeit ihrer
machtlosen Scheinstaaten empfanden die Thüringer durchaus nicht; was
die Gemüter erregte, war ein unbestimmter, durch die Eintönigkeit der
langen Friedenszeit genährter Tatendrang und eine vorlaute Zuchtlosig-
keit, welche die schwachen Regierungen nicht zu bemeistern verstanden. —
Weit reicher erschien das öffentliche Leben im Südwesten; dieser
Winkel Deutschlands wurde für einige Jahre zum Herde der nationalen
Idee. In Mürttemberg feierte König Wilhelm (1841) den fünfund-
zwanzigsten Jahrestag seiner Thronbesteigung, und als er am Festtage
allein durch die Straßen seiner Hauptstadt ritt, da umringte ihn das
Volk mit donnerndem Jubel. Das ganze Land wetteiferte in freudigen
Huldigungen, fast in jeder größeren Ortschaft ward eine Wilhelms-
linde, eine Königseiche gepflanzt, in Stuttgart sollte zur Erinnerung eine
hohe Trajanssäule vor dem Schlosse errichtet werden. Seitdem rechnete
Wilhelm sicher auf die Dankbarkeit seines Volkes, die er sich auch durch
die Wohltaten einer geordneten, sorgsamen Verwaltung verdient hatte;
er wußte jetzt alles am besten, da kein anderer Fürst eine so reiche konsti-
tutionelle Erfahrung besaß, und nannte seine Minister selbst zuweilen ge-
ringschätzig „meine Doktrinäre“. Die deutschen Höfe schätzten ihn als
einen klugen, der Herrschaft kundigen Fürsten, Vertrauen und Liebe
fand er wenig. Mit dem preußischen Gesandten General Rochow, der
hier im Süden weit nützlicher wirkte als späterhin in Rußland, verkehrte er
sehr viel; er freute sich, daß sein Neffe Prinz August in der Berliner
Garde so ganz zum Preußen geworden war, und wünschte lebhaft, Preu-
hen möge statt des morschen Österreichs die Führung des Deutschen Bundes
übernehmen. Rochow wußte jedoch, daß der Schwabenkönig dem öster-
reichischen Gesandten gegenüber ganz ebenso gehässig über Preußen sprach,
und berichtete freimütig: „in seinem Wesen ist die bekannte württember-
gische Hausphysiognomie stets ausgeprägt.“?)
Preßfreiheit, Volksbewaffnung, öffentliche Rechtspflege — so lautete
*) Rochows Berichte, 12. Jan. 1840, 25. Sept. 1843 ff.