Full text: Die Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt. Erste Abtheilung. (1)

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durch die Einwirkung französischer Schriftsteller und Staatsmänner 
zu erklären 10). Allerdings hat sich von Frankreich aus seit 50 
Jahren eine engere Bedeutung dieses Wortes eingebürgert unter dem 
Einfluß einer bestimmten staatsrechtlichen Theorie 11); dies kann 
aber für diejenigen, welche dieser Theorie nicht beistimmen, kein 
Motiv sein, den Gebranch des Wortes in solcher Art zu beschränken. 
Wir verstehen daher unter „legitimer Staatsgewalt“ eine Staats- 
gewalt, welche einem Staate, resp. einem Staatsorgane dem Rechte 
nach zusteht; die wirkliche Innehabung und Ausübung ist kein 
wesentliches Erforderniß dieses Begriffs 12), wohl aber folgt aus dem 
Recht auf die Staatsgewalt als nothwendige Consequenz das Recht 
auf die Innehabung und Ausübung derselben. Die rechtliche That- 
sache, wodurch das Recht auf die Staatsgewalt von einem faktischen 
Inhaber nachträglich erworben wird, nennen wir, nach Analogie 
einer im Familienrecht allgemein adoptirten Ausdrucksweise, „Legi- 
timation“. 
Nach diesen Auseinandersetzungen ergiebt sich als der Inhalt 
unseres Thema die Frage: durch welche juristische Thatsachen 
erwirbt ein Subjekt, welches sich ohne Recht in den 
selbstständigen Besitz einer Staatsgewalt gesetzt hat, 
ein Recht auf dieselben 
Ausgeschlossen von unserer Betrachtung sind die freilich nahe 
angrenzenden Fälle, daß Jemand nicht eine Staatsgewalt selbst, 
sondern nur einzelne Befugnisse derselben, oder die Ausübung der- 
selben in der Eigenschaft eines Beamten (sei es auch eines Präsi- 
denten in einer Republik) usurpirt oder daß der rechtmäßige Staats- 
herrscher seine Herrschaft in einer nicht rechtmäßigen Weise ausübt 12). 
  
10) Vgl. die Citate bei Held, Staat und Gesellschaft, II, S. 687—88. Be- 
sonders häufig findet sich der Ausdruck „IGgitime“ in Anwendung auf die Sou- 
verainität und als Gegensatz zur Usurpation in Rousseaufs Contrat Social. 
11) S. & 5: „Die f. g. legitimistische Theorie". 
12) Anderer Ansicht S. Jordan, Allgem. und Deutsches Staatsrecht, & 54, 1. 
Auch Blunitschli, Allg. Staatsr., I, S. 24 scheint, indem er die Legitimität als 
„Rechtmäßigkeit der wirklichen Verhältnisse“ definirt, eine Uebereinstimmung des 
Factums mit dem Recht als nothwendig vorauszusetzen; doch ergiebt seine ge- 
sammte Darstellung, daß er nur ein längere Zeit fortdauerndes Auseinanderfallen 
dieser beiden Momente als staatswidrig betrachtet. 
13) Von den drei „Auffassungen“ der Legitimität, welche Held, Staat und 
Gesellschaft, II, S. 695—696 vorführt, behandeln wir nur die beiden ersten. Es 
gehört allerdings zu den Seltsamkeiten dieses Schriftstellers, daß er die Frage, ob
	        
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