Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Steil fallen der Mshegesha und der Nia= 
vihanga, beide annähernd 1540 m hoch, in die 
Buyonde-Bucht ab, Norwegens Fjorde imitierend, 
mit denen die Landschaft viel Ahnlichkeit hat, 
wenn ihr auch die majestätische Erhabenheit der 
nordischen Bergwelt fehlt. Buyonde ist ein 
kleines, an einem Bergabhang klebendes Neger- 
dörschen Ruandas, von dessen Existenz man durch 
die Karte erfährt. Ein hübscher Lagerplatz liegt 
unterhalb im Schatten eines alten Fikus im Tal- 
einschnitt unmittelbar am Seec. Dort schlugen 
wir die Zelte auf. Ein wenig Schilf bot sicheren 
Unterschlupf für die Boote. 
Es ist eine angenehme Eigenschaft des Kivu- 
Sees, daß in seinem kalkhaltigen, klaren Wasser 
keine Krokodile leben, und dieser Umstand wurde 
von schwarzen und weißen Menschen weidlich zu 
erfrischendem Baden und Schwimmen ausgeuntzt. 
Am folgenden Morgen fand eine Besichtigung 
der Flottille statt, die allgemein befriedigte. Die 
Boote waren hübsch, geräumig und ganz sym- 
metrisch gebaut und je nach Größe mit sechs bis 
zehn Ruderern bemannt. Diese kräftigen musku- 
lösen Leute der Seenbevölkerung, meist Wahntu, 
Wasugamba oder Waniongumba, sitzen à deus 
auf einer Bank und bedienen die Ruder, deren 
Schaufeln herzförmig oder lanzett geschnitten sind, 
nach Paddelart, indem sie das Wasser von vorn 
nach binten fortdrücken. Auch waren die Kanus 
ziemlich wasserdicht, wenigstens war ein Leck- 
werden über das gewöhnliche Maß nicht zu kon- 
statieren. Jeder von uns dreien erhielt acht 
Boote zur persönlichen und Lastenbeförderung 
zugewiesen. 
· Wüstes Geschrei der Ruderer und Träger 
leitere den Morgen des 17. August ein, als die 
ersten Strahlen des anbrechenden Tages in die 
Zelte der Schläfer schauten, und niachte das 
Wechsignal des Trompeters, das jeden Morgen 
in den besten Schlaf hineintönte, überflüssig. Um 
halb sieben war alles fertig, die letzten Instruk- 
tionen für den Rest der Karawane, der auf dem 
Landwege den wenig beneidenswerten Krarelweg 
unter unseres Unteroffiziers und meines bewährten 
Dieners Führung zurückzulegen hatte, wurden 
erteilt, ein kurzes Winken zum Ufer zurück, und 
gleich darauf rauschte die stattliche kleine Flottille, 
von den kräftigen Armen der rudergeübten Mann- 
schaft getrieben, pfeilschnell über den glatten 
Spiegel des Kiwu dahin, während die ersten 
Sonnenstrahlen die Gipfel der Berge zu vergolden 
anfingen. Es war frisch auf dem Wasser und 
so ging es ohne Pause drei Stunden dahin, 
während der eintönige Schlag der Ruder nur 
durch den Gesang der Leute unterbrochen ward. 
Dann näherten wir uns der Insel Mugarura, 
einem langgezogenen Eiland, das auf dem Nord- 
  
  
ende mit dichtem Urbusch bewaldet ist. Dicht am 
Strande, der mit seinen flachen, moosbesetzten 
Felsen einen vorzüglichen Anlegeplatz bot, wurde 
angelegt und Lager gemacht. Weit auseinander- 
gezogen kamen die einzelnen Boote ein. 
Ein Nachmittags-Spaziergang galt einer hier 
lebenden Zwergantilopenart, deren zoologisch 
wichtige Existenz ich gerne durch Erlegung eines 
Exemplars konstatiert hätte. Doch machte der un- 
durchdringliche Urwaldbusch jede Aussicht und 
jedes Vorwärtskommen unmöglich. Statt dessen 
sah ich einen Schwarm von Tausenden von 
fliegenden Hunden, jener großen Fledermausart, 
die unter Pfeisen und Kreischen an den Asten der 
Büsche herumkrochen oder wie die reifen Pflaumen 
von ihnen herabhingen. Ich erlegte mehrere 
Eremplare zu Studienzwecken. 
Am Abend konnten wir Neulinge eine merk- 
würdige Erscheinung am Kiwn-See beobachten, 
daß nämlich, ohne daß sich ein Lufthauch rührt, 
plötzlich eine starke Brandung aufläuft, um dann 
ganz unregelmäßig, erst nach Stunden oder schon 
in ganz kurzer Zeit, wieder abzuflanen. Man ist 
geneigt, diese sehr merkwürdige Erscheinung mit 
dem Vulkangebiet in Verbindung zu bringen. 
Eine kurze, schnelle Fahrt brachte uns am 
folgenden Tage nach der Mündung des Flüßchens 
Murra, das kurz vor seinem Ausflusse von den 
Bergen in das Tal hinabstürzt. Ein recht müh- 
samer Anstieg brachte Herrn v. Grawert und mich 
bis an den Fall heran. In der Nacht pfiff ein 
schneidend kalter Wind durch die Talschlucht hin 
und rüttelte kräftig an den Zelten. 
Dann bekamen wir Kissenyi in Sicht; durch 
den Duntt, der sich zur Trockenzeit, die Fernsicht 
hemmend, über die Landschaft lagert, erkannte 
man am Strande die sanber weiß getünchten 
Häuser der Askari und weiterhin die Grasdächer 
eines langgedehnten Ortes, dessen Ostseite durch 
Bambusbauten für unser Standlager, dessen West- 
seite durch das Stationshaus und das Wach- 
gebäude abgeschlossen wird. Eine schnurgerade, 
mit Enkalyptus eingefaßte Straße, die sich einer 
Strandpromenade gleich am Ufer hinzieht, ver- 
bindet den Ort mit der Station. Ein reizendes 
Fremdenhäuschen, ebenfalls weiß getüncht und 
mit sauberem Grasdach versehen, von dem meine 
Landesflagge grüßte, von einem sanber gehaltenen 
Garten mit Bananen und bunten Blumen um- 
geben, vor wenigen Tagen erst vollendet, kenn- 
zeichnete die Umerkunft; ein in demselben Stile 
gehaltenes „Techaus“ winkte einladend vom Berge 
herab. 
Kissenyi liegt am Fuße des erlöschenden 
Vulkaus Niragongo und macht den Eindruck eines 
primitiven kleinen Östseebadeortes. Die Pro- 
menade erwähnte ich schon, und auf der Haupt=
	        
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