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und Sarassara. Je näher ich der Heidengrenze
kam, desto besser schienen mir die Befestigungen
der Logone-Orte erhalten und bewacht zu sein.
Im Gegensatz hierzu liegen die Heidenorte offen;
unter zahlreichen Delebpalmen sind die einzelnen
Weiler. weitläufig zerstreut. Sie zählen fast regel-
mäßig vier jener charakteristischen Bischofsmützen,
welche durch ihre verschiedene Höhe die Würde
des Familienhauptes, seines Weibes und Nach-
wuchses ausdrücken und meist um einen kleinen
Hof gruppiert, mit einer niedrigen Mauer ver-
bunden sind. Wie die einzelnen Heiden gruppen,
so scheinen auch deren Einzelfamilien ein aus-
gesprochenes Sonderleben zu führen. Kuh, Ge-
treide, Hund und Ziege gehören zu jedem Haus-
stand; die Milch ist ein so wichtiger Bestandteil
der täglichen Nahrung, daß der Musgumheide
glaubt verhungern zu müssen, wenn er sie ein-
mal entbehren soll.
Von Ngulmu wandte ich mich westlich nach
Girwidig, einem fast vollständig fullahnisierten
Heidenstamm, der nach Angabe seines Häuptlings
früher noch weiter westlich in Balda gesessen und
von jeher nach Marua Tribut gezahlt hatte. Ich
hielt es deshalb für das beste, den Stamm bei
Marua zu belassen. Damit erklärte sich später
auch der Resident von Garua einverstanden.
Der Mao Girwidig bildet künftig die Grenze-
zwischen Marna und dem Heidenbezirk.
Als ich nun an den folgenden Tagen durch
eine herrliche Parklandschaft über Balda,
Malam-manga und Malampetel nach Dukba
marschieren wollte, wurde ich, wie schon berichtet,
am Mittag des 4. Juli im Lager von Malam-
petel von einem als Mahdi auftretenden Fullah-
Malum angefallen. Die später in Maruna an-
gestellte Untersuchung hat ergeben, daß es dieser
Fanatiker zunächst auf die Lamidate Marna und
Mindif und im Auschluß hieran auf die Ver-
treibung des Weißen abgesehen hatte. Er ist
mittlerweile festgenommen und der Residentur
Adamana ausgeliefert worden.
Im Zusammenhang mit einer dieser Tage
von einem anderen Fullah-Malum südlich
Garua hervorgerufenen Erhebung beweist
dieser Fall, daß die Zeiten, in denen der Reiz
der Neuheit unserer hiesigen Herrschaft eine mini-
male Bemessung der Besatzungstruppe gestattete,
zu Ende gehen. Noch scheinen die hiesigen Sul-
tanate von dieser Bewegung unberührt. Un-
berechenbar sind indes die Verhältnisse, wo das
religiöse Moment mitspielt. Ob die jetzige Be-
wegung von außen hereingetragen oder unter der
Fullahbevölkerung selbst hochgekommen ist, konnte
noch nicht festgestellt werden.
Nach Abwehr des Angriffes war ich zunächst
auf Marna und auf das vermeintliche Zentrum
der Aufstandsbewegung losmarschiert. Als ich
aber noch am späten Abend des 4. Juli in
Kosséoa die Gewißheit erhielt, daß Marua und
Mindif ruhig, Strümpell aber erst am 10. Juli
in Marua zu erwarten war, wandte ich mich
nach Mora, um mit dessen Sultan wegen der
Grenzstreitigkeiten Rücksprache zu nehmen. Mai-
Umer, der von dem Angriff bei Malampetel
bereits erfahren hatte, ließ sich im Interesse seiner
Sache natürlich die Gelegenheit nicht entgehen,
die Falschheit und Heimtücke der Fullahbevölke-
rung in den schwärzesten Farben zu schildern.
Im übrigen ist dieser Herrscher durch Körper-
gewicht und Gicht noch seßhafter geworden als
früher. Es wäre kein Schaden für seine Herr-
schaft, wenn er bald einer beweglicheren Kraft
den Platz räumte. Gerade die Erledigung der
bestehenden Grenzstreitigkeiten hat gezeigt, daß
die Großen seines Landes sich die körperliche Un-
beholfenheit ihres Herrschers zunutze zu machen
beginnen.
Am 10. Juli traf ich dann in Marna mit
Oberleutnant Strümpell zusammen. Das Er-
gebnis der am 11. und 12. Juli von Strümpell
geführten Untersuchung ist bereits erwähnt worden.
Da im Augenblick wenig Hoffnung war, den
flüchtigen Malam zu stellen, wurde für die ersten
Augusttage ein konzentrischer Angrif gegen die
ge n Aussicht genommen;
während Oberleutnant Strümpell von Marua,
Oberleutnant v. Raven von Binder her über-
raschend angreisen wollten, sollte der Musgum-
Posten bei Girwidig die Wege nach Norden
sperren und Bongor sollte von Südost her vor-
stoßen. Dieses Kesseltreiben kam indes jedoch
nicht zur Ausführung, da der flüchtige Malam
mittlerweile vom Logone-Sultan festgenommen
war und da anderseits Oberleutnant Strümpell be-
drohliche Nachrichten über den südlich Garna
ausgebrochenen Aufstand erhalten hatte.
Oberleutnant v. Raven kehrte am 13. Juli
nach Binder zurück, während wir anderen drei
Europäer über das Mandara-Massiv nach Madagali
marschierten und dort in tagelangen Palavern
die zahlreichen Streitigkeiten der beiden Herr-
schaften schlichteten. Die strittigen Gebiete von
Dissa, Idjige, Sufue und Goso verblieben dem
Mandara-Sultan, der von der Maruastraße das
Gebiet Hossere Dukba an Marua hatte abtreten
müssen.
Am 20. Juli trennten wir uns: Oberleutnant
Strümpell ging mit Feldwebel Mellenthin
südwärts nach Galak, um dann über Kamale-
Gauar nach Marua zurückzumarschieren. Ich zog
nordwärts gquer über die steilen Berge von Guduf
nach Keraua und wandte mich dann über Bame
nach Dikoa, wo ich am 28. Juli eintraf.