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Bedarfes gegeben. Aber der Mann kommt am
1. April an und er kann am 1. September erst
ernten. Was soll er inzwischen machen? Die
Plantagen liegen von den Märkten oft 5 bis
6 Stunden entfernt. Ich habe in keiner Plantage
einen Markt gesehen, der ausgereicht hätte, um
die gesamten Arbeiter zu verproviantieren. Der
Tag, an welchem der Proviant eingekauft wird,
ist auch ein schwerer Tag. Usambara ist ein
Höhenland. Der Arbeiter steigt hinunter, kauft
ein, besucht auch wohl ein paar Freunde, dann
geht er mit dem Eingekauften wieder zurück in
die Berge. Daß er sehr raschen Temperatur-
schwankungen ausgesetzt ist, kommt hinzu. Ein
Mann, der bis zehn Stunden schwer gearbeitet
hat, muß, da er seine Familie aus dem Innern
nicht mitbringen kann, sein Essen selbst bereiten,
also bekommt er erst zwei Stunden nach beendeter
Arbeit etwas zu essen.
Der Kontrakt ist oft sehr lästig. Er lautet
nicht auf Kalendermonate, sondern auf Arbeits-
monate. Ein Lohn von 12 Rupien versteht sich
für 30 abgearbeitete Tage. Die Sonntage werden
nicht bezahlt. Die Regentage werden auch nicht
bezahlt; da gibt es aber wohl Zehrgelder. Kom-
men Betriebsstörungen vor oder wird der Mann
krank, so bekommt er nichts, aber um alle Tage,
wo er nicht gearbeitet hat oder wo kein Betrieb
war, verlängert sich der Kontrakt. Nach dreißig
Arbeitstagen bekommt er eine Monatsmarke und
nach sechs Arbeitsmarken seinen Lohn, wie der
Kontrakt gewöhnlich lautet, d. h. nach neun
Kalendermonaten, aber auch erst nach einem
Jahre und länger. Nimmt der Arbeiter Vorschuß,
so verlängert sich seine Dienstzeit automatisch.
Das sind alles Maßnahmen, die eine gewisse
Not den Pflanzern ausgezwungen hat. Es ist
nicht etwa der böse Wille oder Ausbeutungssucht
oder die Neigung, die Leute zu drücken. Die
Regierung hat seit 1897 nichts getan für eine
Arbeitergesetzgebung, weil Erfahrungen fehlten.
Wir haben 1897 ein Gesetz gehabt, dann ist es
aufgehoben worden und nichts an die Stelle ge-
kommen. Die Leute sind dadurch auf die Selbst-
hilfe verwiesen worden und wenn sich jetzt Not-
stände herausstellen, so darf man die Plantagen-
besitzer nicht allein verantwortlich machen. Aber
die Situation ist jetzt unerquicklich.
Es kommt folgendes dazu. Darunter, daß
der Mann dreiviertel Jahre weg ist, leidet die
Fortpflanzung außerordentlich; die Familien find
verwaist. Ansiedeln im Küstengebiete will sich
der Neger nicht. Wo er es tut, wird aus dem
Arbeiter schnell ein kleiner Bauer. Das mögen
aber zum Teil die Pflanzer nicht und zwar aus
berechtigten Gründen.
Nun ist aber doch nicht zu verwundern, daß
unter solchen Umständen die Schwarzen sehr un-
gern nach der Plantage gehen, wo sie solchen
Dingen ausgesetzt sind. Ich stehe ganz auf dem
Standpunkt, daß wir die Arbeiter beschaffen sollen
und wohlfeil beschaffen müssen auf Grund von
Maßnahmen, die den Mann dazu veranlassen,
gern hinzugehen. Nun hat sich aber jetzt die
Situation dort verändert. Früher war es im
Innern von Ostafrika schwer, etwas zu verdienen;
an der Küste konnte der Schwarze etwas ver-
dienen. Jetzt gehen die Karawanen über den
Viktoria-Nyansa nach Tabora, nach Udjiji. Nach
Mrogoro haben wir die Bahn und wollen sie
weiterführen. Überallhin kommt der Handel und
der Mann wird angereizt, sich Angenehmes und
Nützliches zu verschaffen. Die Leute fangen an
zu bauen, besonders als Ackerbauer, nachdem sie
die Sicherheit haben, ihre Ernte hereinzubekommen.
So werden die Leute im Innern des Landes
begehrlicher. Sie werden besser gestellt und
können sich alles besorgen, ohne 45 Tage bis zur
Küste laufen zu müssen. Dadurch wird die
Situation an der Küste erheblich erschwert. Ich
will hier Licht und Schatten gleich verteilen.
Auf die verschiedenen Einzelheiten will ich
nicht eingehen, aber ich muß noch eins bemerken:
Die Art, wie die Arbeiter angenommen werden,
macht auch große Schwierigkeiten. Es sind nicht
sehr geschickte Leute und manchmal auch nicht
ehrliche Leute, die das machen. Sie zahlen den
Sultanen einen Backschisch und dafür bestimmen
diese die Leute zur Arbeit. „Und gehst du nicht
willig, so brauch ich Gewalt.“ Dafür kann auch
der Pflanzer nichts, ganz und gar nichts, aber
es ist eine der Schwierigkeiten mehr, die die Re-
gierung hat, die Leute zu besorgen.
Nun will ich nur der Vollständigkeit halber
sagen, wie denn die Pflanzer selber diese Miß-
stände abstellen wollten und dabei bemerken, wie
die Engländer sowohl in Britisch-Ostafrika als
auch im Süden diese Frage gelöst haben.
Es wird zunächst verlangt, daß die Steuer
von 3 auf 12 Rupien per Jahr erhöht werde,
und zwar natürlich nur in den Küstenbezirken.
weil dort die Leute bessere Arbeitsgelegenheit
haben. Das ist ein Argument, gegen das an
und für sich nichts zu sagen ist; es klingt unge-
heuer plausibel. Wenn Sie es aber untersuchen,
kommen Sie darauf: Die Arbeiter, welche die
Plantagen haben wollen, wohnen nicht an der
Küste; infolgedessen wird niemand aus dem
Taborabezirk, wo er eine oder hbchstens drei
Rupien bezahlt, sich nun mit Vergnügen nach
der Küste wenden, wo er das Vierfache bezahlen
soll. Aber dazu kommt noch etwas anderes. Vom
Gesichtspunkt der allgemeinen Verwaltung muß