W 231
laßt, in Erwägungen einzutreten, wie die Akkli-
matisationsfähigkeit der Weißen in den Tropen-
ländern überhaupt ist.
Bei größerer sanitärer und wirtschaftlicher
Fürsorge für die Schwarzen, bei einem verständigen
Ausbau der Verkehrswege, bei einer schärferen
Organisation der Verwaltung ohne größeren Auf-
wand, aber mit mehr Zusammenfassung der vielen
guten Dinge, die wir schon geleistet haben, glaube
ich, daß wir in Ostafrika ein Land von ganz
außerordentlichem natürlichem Reichtum besitzen.
Sie müssen ihm nur Zeit lassen, sich zu entwickeln.
Was man heute von uns verlangt, ist nicht an
—
und für sich unrichtig; aber es ist viel zu viel
Tempo für den Orient. Zweitausend Jahre sind
die Schwarzen hinter Europa zurück. Mit einer
Verordnung läßt sich diese Kulturdifferenz nicht
überbrücken. Die Sache muß ihren Gang selbst
gehen; wir sind umsomehr verpflichtet, sie zu
fördern, als es sich um unsere Schutzgenossen
handelt.
Ich habe in der ganzen Entwicklung das Wort
Ethik nicht gebraucht, aber hier sage ich: wir
müssen in Wahrung unserer eigenen Würde als
Kolonisatoren auch diesen Gesichtspunkten zum
Durchbruch verhelfen.
Nachrichten aus den deutschen Schutzgebieten.
(Abdruck der Nachrichten vollständig oder teilweise nur mit Quellenangabe gestatiet.)
Deutsch-Neuguinea.
Die Unruhen bei Dotsdamhafen.
Über die jüngst von der Presse gemeldete
Eingeborenen -Erhebung im Hinterlande
von Potsdamhafen (Kaiser Wilhelmsland) liegt
jetzt ein Bericht des Bezirksamts Friedrich-Wil-
helmshafen vor. Die Vermutung, daß die Un-
ruhen nur lokaler Natur waren, hat sich danach
bestätigt. Es handelt sich um die zum Stamme
der Arepagon gehörigen Orokozaleute, die einige
Stunden landeinwärts von Monumbo (hinter
Potsdamhafen) wohnen und mit sämtlichen Küsten-
dörfern von Awar bis Bogia in ständiger Fehde
leben. Namentlich in letzter Zeit haben sie die
Bewohner der Strandorte und die Arbeiter der
Neu-Guinea-Kompagnie sowie der Mission, die bei
Potsdamhafen Stationen besitzen, wiederholt über-
fallen. Mehrfach sind von ihnen auch bei ihren
Streifzügen Eingeborene ermordet worden. Ein
Einschreiten der Regierung gegen diesen Stamm,
mit dem sie bisher noch nicht in Berührung ge-
kommen war, erschien daher mit der Zeit dringend
nötig, namentlich auch, um einem Angriff des
Stammes auf die Station Potsdamhafen vor-
zubengen. Mehr als einmal hatten die Orokoza
den Küstenbewohnern hinter Bogia, den einzigen,
mit denen sie Handelsbeziehungen unterhalten,
sagen lassen, sie fürchteten die Weißen und deren
Feuergewehre nicht.
Über den Verlauf der Expedition selbst be-
richtet der Bezirksamtmann wie folgt:
Mit der letzten „Siar“ begab ich mich nach
Potsdamhafen. Der aus 15 Soldaten bestehen-
den Truppe schlossen sich Pater Vormann und
einige Männer des Monumbodorfes Koza-Koza
an. In sechsstündigem Marsche landeinwärts
wurde das Gebiet der Orokoza mit seinen aus-
gedehnten Pflanzungen erreicht. Der Versuch
einer friedlichen Verständigung mißlang leider
gleich im Anfang, weil ein in den Pflanzungen
arbeitender Eingeborener uns entdeckt hatte und
laut schreiend das Dorf alarmierte. Auf der Kuppe
eines mit lichtem Busch bedeckten Hügels befand
sich ein Trupp Eingeborener, auf den alsbald
Feuer eröffnet wurde. Da ich das Dorf auf der
Kuppe vermutete, ließ ich den Hügel ersteigen;
er erwies sich jedoch als schmaler, nach beiden
Seiten steil abfallender Grat. Nur einige weg-
geworfene Waffen bekundeten die Anwesenheit der
Orokoza. Wir hatten uns kaum etwas von dem
schnellen Anstieg erholt, als wir die Orokoza im
Tal an unserem vorigen Standpunkt entdeckten.
Es war ein großer Trupp wohlgewachsener, mit
Speeren und Schilden bewaffneter Leute, die
ihren Kriegstanz aufführten, die Speere schüttelten
und uns mit Hohnworten herausforderten. Ich
stellte nunmehr die Polizeisoldaten in Linie auf
und marschierte, selbst in der Mitte der Linie,
den Berg langsam herunter. In halber Höhe
angekommen, ließ ich halten und auf die uns
bergan entgegenstürmenden Orokoza eine Salve
abgeben. Durch diese Salve fielen drei Mann;
der große Haufe zog sich zurück und ergriff, als
wir ein lebhafteres Feuer unterhielten, die Flucht.
Wir hatten nunmehr unseren alten Standplatz
wiedergewonnen, während die Eingeborenen sich
auf die gegenüberliegenden Berge zurückzogen.
Soweit die Geländeverhältnisse es zuließen, wurde
das Feuer weiter unterhalten. Mit einem durch
Rippenschuß und Armschuß schwer verletzten Oro-
koza, der nur mit Mühe vor der Wut der Mo-
numboleute geschützt werden konnte, gelang eine
durch Monumbo= und Ikussprache verdolmetschte