Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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ist, wie überall hier, der scharfen Bestimmungen 
wegen sehr gering. Daß viele Schmuggel- 
karawanen die Vorteile des Waldes ausnutzen, 
ist bei seinen Riesendimensionen und der daraus 
sich ergebenden unzulänglichen Kontrolle natürlich. 
Dr. v. Raven und Czekanowski waren während 
dieser Zeit zur Ergänzung begonnener Arbeiten 
wiederum auf Spezialreisen am Südrand des 
Ruwensori bzw. Toro und Unyoro beschäftigt, 
während sich Herr Kirschstein zu den Schluß- 
arbeiten im Vulkangebiet des Kiwu noch eine 
etwas verlängerte Arbeitszeit erbeten hatte, die 
durch fortwährende Neufunde bedingt wurde. 
Czekanowski fand auf seiner Tour einen Stamm 
von Watwa-Leuten, die — offenbar kleiner als 
dieselben Leute des Bugoiewaldes — zu den 
Pygmäen zu rechnen wären, während die Bugoie- 
Watwa keineswegs zu diesen zu zählen sind. 
Dr. v. Raven hatte, als er sich zur Blutunter- 
suchung in das Gebiet der Wasongora begab, 
das Unglück, von einem angeschossenen Büffel, 
dem er auf der Schweißfährte folgte, ganz un- 
vorhergesehen angenommen und in die Luft ge- 
worfen zu werden. Nach „Rückkehr“ auf den 
Boden warf sich der wütende Büffel nochmals 
auf seinen Gegner, worauf das Tier von zwei 
Askari zusammengeschossen wurde. Herr v. Raven 
trug, wenn auch keine gefährlichen, so doch sehr 
erhebliche Verletzungen am Ellenbogen, in der 
Muskulatur des Oberarmes und an der Brust 
davon, die seiner ärztlichen Tätigkeit für längere 
Zeit ein Ende setzen werden. 
Der übrige Teil der Expedition, die Herren 
Dr. Schubotz und Mildbraed, Oberleutnant 
Weiß, Leutnant Wiese und ich, sowie der 
belgische Leutnant Vériter, unternahmen am 
18. Jannar eine Exkursion in den westlich von 
Beni gelegenen Teil des Urwaldes. Oberleutmant 
Weiß hatte nach umfangreichen Arbeiten im kongo- 
lesisch-englisch -strittigen Gebiete genaue Routen- 
aufnahmen bis hierher gemacht, eine Aufgabe, 
die ihm auch jetzt wieder zufiel. 
Je mehr wir in den Wald eindrangen, desto 
mehr erregte die Neuheit der Flora die Auf- 
merksamkeit unseres Botanikers Dr. Mildbread, 
da sich keinerlei verwandtschaftliche Formen mit 
der Flora bis dahin gesehener Wälder zeigten. 
Formen= und Artenreichtum ist ungeheuer groß, 
so daß der botanische Sammler fast in Verlegen- 
heit über sein Programm geriet. 
Wir sind hier im Gebiete des Okapi, das 
überall im Flußgebiet des Aruwimi und Uälle 
vereinzelt vorkommt; doch ist seine Erlegung ganz 
außerordentlich schwer und hängt für den Euro- 
päer lediglich vom Zufall ab. Es war uns durch 
Vermittlung ihres Chefs, des Sultans Muera 
gelungen, einige der Urbewohner des Kongo- 
  
  
Urwalds, der Mombutta-Pygmäen, als Begleiter 
zu erhalten, ohne deren Hilfe ein Umherstreifen 
im Walde unmöglich ist, sobald man die Verkehrs- 
wege nach Irumu oder Mawambi verläßt. Die 
einzige Kommunikationsmöglichkeit besteht in den 
sich permanent kreuzenden alten und frischen 
Elefantenpfaden, wodurch einem Weißen jede 
Orientierung geraubt wird. 
Die Mombutta machten einen intelligenten, 
netten Eindruck und nahten ohne Schen. Trotz- 
dem wir nach ihrer Angabe die ersten Europäer 
waren, mit denen sie in Fühlung kamen, fanden 
sie sich schnell in die neue Situation. Ihr 
Orientierungsvermögen ist fabelhaft. Die Färbung 
ist auffallend hell und der Körperbau kräftig. 
Aus gutmütigen Gesichtern schauen intelligente 
Augen, die einen Rückschluß auf stark entwickelte 
natürliche Sinne zulassen. Der Gesamteindruck 
wird vielleicht nur durch die Breite der Nasen- 
flügel etwas beeinträchtigt. Im Gegensatz zu den 
Watwa im Bugoiewalde, deren Indolenz den 
ruhigsten Europäer zur Verzweiflung treiben kann, 
schlugen die Mombutta ohne Scheu ihre Schlaf- 
stätte zwischen unseren Trägern auf, jedes Winks 
zu Führerdiensten gewärtig. 
Meine eigenen Messungen, die aber auf keinen 
anthropologischen Wert Anspruch machen wollen, 
ergaben bei einer Anzahl Vertreter dieses Pygmäen= 
stammes Höhen zwischen 136 und 142em, während 
nur ein Mann mit 145 cm dieses Maß überschritt. 
Feste Wohnplätze kennen sie allem Anschein 
nach nicht; diese werden vielmehr fortwährend 
gewechselt, aber niemals nach außerhalb der 
Waldzone verlegt. Sie bestehen aus Lianen- 
gerüst, das mit Blätterwerk überdacht ist. 
Die Kleidung besteht aus einem durch den 
Spalt gezogenen, vorn und hinten herabhängen- 
den Schurz aus grauem, wollartigem Rindenstoff, 
der vom Supabaume, tief im Inneren des Waldes, 
gewonnen wird. Bei den Frauen, die sich in 
der Größe von den Männern nicht unterscheiden, 
findet man als Schmuck gelegentlich durch die 
Lippen gezogene, dünne Kupferringe, an denen 
je eine Kaurimuschel hängt. Die Weiber starren 
fast alle im „Urschmutz“ und sind von abschrecken- 
der Häßlichkeit. 
Die Kinder werden auf der Hüfte der Mutter 
sitzend getragen und von einer, manchmal ganz 
dünnen Schnur unterstützt, die über die Schulter 
der Mutter läuft und manchem kleinen Wurme 
durch tiefes Einschneiden in den weichsten Körper- 
teil jämmerliche Tränen der Qual entlockt. Körbe 
und ähnliche Lasten werden an breiten Bast- 
bändern mit der Stirne getragen, während der 
getragene Gegenstand über den Rücken hängt. 
Die anderen Bewohner des Waldes und 
seiner Grenzen sind die Wabuba, zu denen sich
	        
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