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daß gerade diese Schwierigkeiten zu vermehrter
Arbeitsleistung und dem stolzen Gefühl führen,
mit den denkbar geringsten Mitteln wirklich Be-
wundernswertes zu leisten. Wir schieden von dem
Schlafkrankendorf mit dem erhebenden Bewußt-
sein, mit echtem hohen Adel in der Person der
dort arbeitenden Arzte in Berührung gekommen
zu sein. '
Auch gegen andere Volksseuchen wird in Togo
der Kampf so energisch als möglich geführt. Die
Bezirksleiter impfen gegen Pocken, errichten Aus-
sätzigenasyle und sorgen für Isolierung von an
Genickstarre Leidenden.
Auf jeder (deutschen) Regierungsstation sind
sehr ansehnliche Länderstrecken mit Versuchspflan-
zungen angebaut. Außer diesen sind weitere zwölf
kleinere Versuchsgärten angelegt, in welchen nur
die für die betreffende Landschaft wichtigsten Nutz-
pflanzen angebaut sind. Eingeborene halten diese
Versuchsgärten instand. Für diese Arbeit wird
ihnen der Ertrag der Gärten überwiesen. Sie
sollen dadurch angelernt und ermuntert werden,
die für ihre Landschaft passenden Nutzpflanzen
selbst zu ziehen. Hierzu liefert ihnen der Garten
kostenlos das Saatgut. So gibt sich die (deutsche)
Verwaltung alle erdenkliche Mühe, Nutzbänme in
der Kolonie zu verbreiten und solche auch an den
(von ihr angelegten) Straßen entlang anzupflanzen.
Das alles sind für solche, die auf der (eng-
lischen) Goldküste leben (der schweizer Arzt war,
wie erwähnt, seit 25 Jahren an der englischen
Goldküste tätig), zum größten Teil neue Dinge.
Der Kampf gegen die Schlafkrankheit wird hier
sehr lässig geführt, und für die Aussätzigen ist
noch kein Asyl errichtet. (Weiter unten wird
berichtet, daß im englischen Gebiete 75.000 Menschen,
das sind 5 v. H. der Gesamtbevölkerung, an
Genickstarre gestorben sind. Dabei hat die Gold-
küste hohes Einkommen, 1912 30 Millionen Frank
oder 20 Frank auf den Kopf; Togo hatte nur
5 Millionen Frank Einkommen oder 5 Frank auf
den Kopf.) In neuerer Zeit tut jedoch die
englische Regierung auch recht Ansehnliches zur
Hebung der Landeserzeugnisse; aber es reicht
weitaus nicht hin an die großzügige und weit-
sichtige Arbeit der deutschen Regierung. Die (in
der deutschen Kolonie von der deutschen Regierung
angepflanzten) herrlichen Bestände von Teakholz,
von Mahagoni, Olpalmen, Kautschukarten und
einer ganzen Reihe von Nutzhölzern sucht man
auf der Goldküste vergebens.
Am 27. Januar (1910) langten meine beiden
Reisegefährten in Amedschowe (in der deutschen
Kolonie) an. Der eine von ihnen hatte noch
als Andenken an die schlechten Wege auf der
(englischen) Goldküste ein Loch gerade über dem
linken Auge mitgebracht. Glücklicherweise war es,
durch Splitter des einen Brillenglases verursacht,
nicht bedenklich.
Am 31. Januar brachen wir (zu Rad) auf.
Wie gut ließ es sich auf den schönen (von der
deutschen Regierung erbauten) Wegen fahren!
Die Flüßchen waren alle überbrückt.
Der Weg führte durch eine Ebene in die
neuangelegten Santrokofidörfer. Früher lagen sie
hoch oben in den Bergen, denn dort waren sie
sicher vor feindlichen Überfällen oder konnten doch
leicht verteidigt werden. Die Zeiten haben sich
nmun glücklicherweise geändert. Die (deutsche)
Regierung sorgt für Frieden, und neue Erwerbs-
quellen öffnen sich. Im Tal ziehen gute (von den
Deutschen erbaute) Straßen, und ihnen entlang ent-
wickelt sich Verkehr und Handel. Da kann man
nicht mehr droben bleiben, wenn man voran-
kommen will. Darum sind die Santrokofilente
hinab ins Tal gestiegen und bauen sich nun an
der Straße zwei neue Dörfer. (Von englischer
Seite wird immer behauptet, daß die Bewohner
der Dörfer an den Straßen landeinwärts fliehen,
um sich den Bedrückungen der deutschen Regierung
zu entziehen; hier berichtet ein Augenzeuge im
Gegenteil, daß sie aus sicherem Versteck wegziehen
und sich an den neuen von den Deutschen erbauten
Straßen ansiedeln. Im ganzen Buche wird nicht
ein einziges Mal erwähnt, daß die Reisenden auf
ihrem 1100 bis 1200 Kilometer langen Reisewege
im deutschen Gebiet auch nur einmal ein einziges
von ihren Bewohnern verlassenes Dorf oder Gehöft
angetroffen haben.)
Jeder Togoreisende wird Ursache haben, das
Lob der (von der deutschen Regierung eingeführten)
Rasthöfe (Karawansereien, eine Art „Gasthöfe",
in denen die Reisenden wohnen können) zu singen,
denn nicht alle können sich den Luxus erlauben,
ein Zelt mitzuführen.
Von Kratschi an (im deutschen Gebiet) ist das
Land sehr eben. Die prächtige Straße führt
schnurgerade nach Norden.
In Jendi (im deutschen Togogebiete) be-
suchten wir das Grab von Hauptmann Mellin,
der soviel für die Kolonie geleistet hat, und der
durch sein warmes Herz und seine Gerechtigkeit
und Milde das Vertrauen und die Liebe der
Bölkerschaften des Mangubezirks (an dessen Spitze
der Verstorbene lange Zeit gestanden) in seltenem
Maße gewonnen hatte. Ein Beweis von der
Achtung, in welcher Hauptmann Mellin stand,
erhielten wir an jenen Tagen. Es kam eine
Abordnung des Häuptlings von Santile, fünf
gewehrtragende Soldaten und ihr Anführer, und
schossen zu Ehren und zum Gedächtnis des Haupt-
manns ihre Gewehre dreimal über seinem Grabe ab.
Wenn man bedenkt, daß noch vor wenigen
Jahren Tamale (Sitz der englischen Kolonial=