Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIX. Jahrgang, 1918. (29)

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daß gerade diese Schwierigkeiten zu vermehrter 
Arbeitsleistung und dem stolzen Gefühl führen, 
mit den denkbar geringsten Mitteln wirklich Be- 
wundernswertes zu leisten. Wir schieden von dem 
Schlafkrankendorf mit dem erhebenden Bewußt- 
sein, mit echtem hohen Adel in der Person der 
dort arbeitenden Arzte in Berührung gekommen 
zu sein. ' 
Auch gegen andere Volksseuchen wird in Togo 
der Kampf so energisch als möglich geführt. Die 
Bezirksleiter impfen gegen Pocken, errichten Aus- 
sätzigenasyle und sorgen für Isolierung von an 
Genickstarre Leidenden. 
Auf jeder (deutschen) Regierungsstation sind 
sehr ansehnliche Länderstrecken mit Versuchspflan- 
zungen angebaut. Außer diesen sind weitere zwölf 
kleinere Versuchsgärten angelegt, in welchen nur 
die für die betreffende Landschaft wichtigsten Nutz- 
pflanzen angebaut sind. Eingeborene halten diese 
Versuchsgärten instand. Für diese Arbeit wird 
ihnen der Ertrag der Gärten überwiesen. Sie 
sollen dadurch angelernt und ermuntert werden, 
die für ihre Landschaft passenden Nutzpflanzen 
selbst zu ziehen. Hierzu liefert ihnen der Garten 
kostenlos das Saatgut. So gibt sich die (deutsche) 
Verwaltung alle erdenkliche Mühe, Nutzbänme in 
der Kolonie zu verbreiten und solche auch an den 
(von ihr angelegten) Straßen entlang anzupflanzen. 
Das alles sind für solche, die auf der (eng- 
lischen) Goldküste leben (der schweizer Arzt war, 
wie erwähnt, seit 25 Jahren an der englischen 
Goldküste tätig), zum größten Teil neue Dinge. 
Der Kampf gegen die Schlafkrankheit wird hier 
sehr lässig geführt, und für die Aussätzigen ist 
noch kein Asyl errichtet. (Weiter unten wird 
berichtet, daß im englischen Gebiete 75.000 Menschen, 
das sind 5 v. H. der Gesamtbevölkerung, an 
Genickstarre gestorben sind. Dabei hat die Gold- 
küste hohes Einkommen, 1912 30 Millionen Frank 
oder 20 Frank auf den Kopf; Togo hatte nur 
5 Millionen Frank Einkommen oder 5 Frank auf 
den Kopf.) In neuerer Zeit tut jedoch die 
englische Regierung auch recht Ansehnliches zur 
Hebung der Landeserzeugnisse; aber es reicht 
weitaus nicht hin an die großzügige und weit- 
sichtige Arbeit der deutschen Regierung. Die (in 
der deutschen Kolonie von der deutschen Regierung 
angepflanzten) herrlichen Bestände von Teakholz, 
von Mahagoni, Olpalmen, Kautschukarten und 
einer ganzen Reihe von Nutzhölzern sucht man 
auf der Goldküste vergebens. 
Am 27. Januar (1910) langten meine beiden 
Reisegefährten in Amedschowe (in der deutschen 
Kolonie) an. Der eine von ihnen hatte noch 
als Andenken an die schlechten Wege auf der 
(englischen) Goldküste ein Loch gerade über dem 
linken Auge mitgebracht. Glücklicherweise war es, 
  
durch Splitter des einen Brillenglases verursacht, 
nicht bedenklich. 
Am 31. Januar brachen wir (zu Rad) auf. 
Wie gut ließ es sich auf den schönen (von der 
deutschen Regierung erbauten) Wegen fahren! 
Die Flüßchen waren alle überbrückt. 
Der Weg führte durch eine Ebene in die 
neuangelegten Santrokofidörfer. Früher lagen sie 
hoch oben in den Bergen, denn dort waren sie 
sicher vor feindlichen Überfällen oder konnten doch 
leicht verteidigt werden. Die Zeiten haben sich 
nmun glücklicherweise geändert. Die (deutsche) 
Regierung sorgt für Frieden, und neue Erwerbs- 
quellen öffnen sich. Im Tal ziehen gute (von den 
Deutschen erbaute) Straßen, und ihnen entlang ent- 
wickelt sich Verkehr und Handel. Da kann man 
nicht mehr droben bleiben, wenn man voran- 
kommen will. Darum sind die Santrokofilente 
hinab ins Tal gestiegen und bauen sich nun an 
der Straße zwei neue Dörfer. (Von englischer 
Seite wird immer behauptet, daß die Bewohner 
der Dörfer an den Straßen landeinwärts fliehen, 
um sich den Bedrückungen der deutschen Regierung 
zu entziehen; hier berichtet ein Augenzeuge im 
Gegenteil, daß sie aus sicherem Versteck wegziehen 
und sich an den neuen von den Deutschen erbauten 
Straßen ansiedeln. Im ganzen Buche wird nicht 
ein einziges Mal erwähnt, daß die Reisenden auf 
ihrem 1100 bis 1200 Kilometer langen Reisewege 
im deutschen Gebiet auch nur einmal ein einziges 
von ihren Bewohnern verlassenes Dorf oder Gehöft 
angetroffen haben.) 
Jeder Togoreisende wird Ursache haben, das 
Lob der (von der deutschen Regierung eingeführten) 
Rasthöfe (Karawansereien, eine Art „Gasthöfe", 
in denen die Reisenden wohnen können) zu singen, 
denn nicht alle können sich den Luxus erlauben, 
ein Zelt mitzuführen. 
Von Kratschi an (im deutschen Gebiet) ist das 
Land sehr eben. Die prächtige Straße führt 
schnurgerade nach Norden. 
In Jendi (im deutschen Togogebiete) be- 
suchten wir das Grab von Hauptmann Mellin, 
der soviel für die Kolonie geleistet hat, und der 
durch sein warmes Herz und seine Gerechtigkeit 
und Milde das Vertrauen und die Liebe der 
Bölkerschaften des Mangubezirks (an dessen Spitze 
der Verstorbene lange Zeit gestanden) in seltenem 
Maße gewonnen hatte. Ein Beweis von der 
Achtung, in welcher Hauptmann Mellin stand, 
erhielten wir an jenen Tagen. Es kam eine 
Abordnung des Häuptlings von Santile, fünf 
gewehrtragende Soldaten und ihr Anführer, und 
schossen zu Ehren und zum Gedächtnis des Haupt- 
manns ihre Gewehre dreimal über seinem Grabe ab. 
Wenn man bedenkt, daß noch vor wenigen 
Jahren Tamale (Sitz der englischen Kolonial=
	        
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