56 II. Teil. HDeutige staatsrechtliche Stellung der Oberlansitz.
letzung können sich die Oberlausitzer Stände direkt beim lönige be-
schweren, der Staatsgerichtshof entscheidet unter Umständen über ihre
Auslegung, der Hôönig verspricht beim Regierungsantritte sie zu wahren,
so heilig, wie die Derfassung des Landes.
Wenn wir besonders diese letzteren Zestimmungen betrachten, so
scheint es fast, als sei die Bezeichnung „Markgraftum“ nicht eine bloße
historische Reminiscenz, sondern als habe dieselbe noch heute einen
realen Hintergrund. Und dennoch ist letzteres nicht der Fall. Die
Oberlausitz ist heute Teil und nur Teil von Sachsen. — Man hat sich
vielfach abgemüht, eine markante Grenzscheide zu ziehen, welche den
Staat, besonders den nicht souveränen, von den ihm eingegliederten
Teilen und Uôörperschaften scheide. Wan hat das unterscheidende Merk—
mal unter Anderen darin finden wollen, daß die Hoheitsrechte des
Staates ihm eigene und unkontrolierbare, die Rechte der ihm ein-
gegliederten Körperschaften von ihm abgeleitete und durch ihn kontro-
lierbare seien. Diese Unterscheidung stellt sich jedoch als eine nicht sehr
praktische heraus, denn es ist oft sehr schwer zu bestimmen, ob ein
Recht eigenes oder abgeleitetes, kontrolierbares oder unkontrolierbares
sei. Jellinek 1) definiert das eigene Recht als dasjenige, bei dessen
Ausübung man der Dollzieher des eigenen Willens sei. Wenn nun
die Oberlausitzer Stände ihr Derbietungsrecht gegenüber gewissen Ge-
setzen ausüben, vollziehen sie dann den eigenen Willen der Oberlausitz
entgegen dem des Sächsischen Staates, so daß man dies Verbietungs-
recht als das eigene Recht der Drovinz bezeichnen könnte, oder sind sie
blos in einer besonderen Weise an der Willensbildung des Sächsischen
Staates beteiligt, so daß das Recht nicht als ihr eigenes, sondern als
ein abgeleitetes erscheint d JIch glaube allerdings das Letztere, aber
man könnte auch das Erstere behaupten. Jedenfalls erscheint eine
solche subtile Unterscheidung als praktisch nicht sehr verwertbar. Wenn
I) Staatenverbindungen S. 11.