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kriegsgerichtlich zu verfolgenden strafbaren Handlung, so hat er, falls der zustän-
dige höhere Gerichtsherr nicht sofort erreichbar und ein sofortiges Einschreiten
aus militärischen Gründen oder im Interesse der Untersuchung geboten ist, durch
ein von ihm anzuordnendes Ermittelungsverfahren den Sachverhalt erforschen zu
lassen; bei Gefahr im Verzuge ist er zur Anordnung der einstweiligen Ent-
hebung vom Dienste, der Untersuchungshaft sowie von Durchsuchungen und
Beschlagnahmen befugt.
Nach Feststellung des Sachverhalts sind die entstandenen Akten unverzüg-
lich dem zuständigen höheren Gerichtsherrn zu übersenden.
§ 30.
In den Bericht, welcher in Gemäßheit des § 158 Abs. 1 der Militär-
strafgerichtsordnung zu erstatten ist, ist zutreffendenfalls aufzunehmen, daß die
im Abs. 2 vorgeschriebene Anzeige an den Reichskanzler erfolgt ist.
§ 31.
In den Fällen der §§ 181, 184 der Militärstrafgerichtsordnung ist unter
„Militärbehörde“ der Truppenteil beziehungsweise die nächste militärische Wache
zu verstehen. Das Verfahren gegen die einer solchen Wache zugeführten Per-
sonen regelt sich nach den Vorschriften der Wachinstruktion.
§ 32.
Zur Erlassung von Steckbriefen sind außer den Gerichtsherren befugt: die
Befehlshaber selbständiger Abteilungen beziehungsweise die mit den Befugnissen
eines solchen von seiten des Gouverneurs ausgestatteten Befehlshaber, sowie bei
Entweichungen aus Gefangenanstalten oder Arbeiterabteilungen die Gouverneure,
Kommandanten und Garnisonältesten. In Deutschland soll jeder Militärbefehlshaber
vom Hauptmann aufwärts zum Erlasse von Steckbriefen befugt sein (§ 183
Abs. 2 der Militärstrafgerichtsordnung).
§ 33.
Bedarf es bei Verbrechen des Landesverrats oder des Verrats militärischer
Geheimnisse zur Feststellung des Tatbestandes des Gutachtens einer Militärbehörde,
so ist dasselbe stets durch Vermittelung des Reichs-Kolonialamts einzuholen (§ 218
Abs. 3 der Militärstrafgerichtsordnung).
§ 34.
Die eine Selbstentleibung betreffenden Verhandlungen — § 223 der
Militärstrafgerichtsordnung — sind nach Abschluß der Ermittelungen dem Reichs-
kanzler (Reichs-Kolonialamt) einzusenden.
Gleiches gilt in den übrigen Fällen des § 223.
Reichs-Gesetzbl. 1909. 153