fullscreen: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

42 II. Abschnitt. Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate. 8 7. 
die Verpflegung des Betreffenden demjenigen Staate anheim, in welchem er 
zuletzt seinen Unterstützungswohnsitz besessen hat. 
In Bayern, wo das Unterstützungswohnsitzgesetz noch nicht gilt, wird der 
in den bayerischen Staatsverband ausgenommene Deutsche, der nach einjährigem 
Aufenthalt in Bayern seinen Unterstützungswohnsitz in seiner früheren Hei- 
mat verloren, in der bayerischen Gemeinde seines neuen Aufenthalts aber 
ein Heimatrecht noch nicht erworben hat (§ 6 d. Heimatges.), sich also nicht im 
Besitze einer wirklichen, sondern nur vorläufigen Heimat befindet, im Ver- 
armungsfalle nicht von der Gemeinde, wo er sich gegenwärtig aufhält, sondern 
vom Staate unterstützt (s. Art. 16 Abs. 3 d. bayer. Heimatges., Anhang, Anl. 4). 
b) Der um die Aufnahme Nachsuchende hat durch Vorlage eines auf seinen 
Namen ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweises (uvgl. Anm. 7 zu diesem 
Paragraphen) nachzuweisen, daß er Angehöriger eines Bundesstaates ist. 
Erst nachdem der Betreffende in den neuen Staatsverband ausgenommen 
ist, kann er um Entlassung aus seiner bisherigen Angehörigkeit zu dem anderen 
Bundesstaate nachsuchen. Diese Entlassung muß ihm dann erteilt werden 
(§ 21 d. G.). Es ist jedoch nicht notwendig, daß er um die Entlassung aus 
seiner bisherigen Staatsangehörigkeit einkomme; denn durch die Tatsache der 
Aufnahme eines Deutschen in die Staatsangehörigkeit eines anderen Bundes- 
staates erlischt nicht die frühere Staatsangehörigkeit; es ist somit die Möglichkeit 
nicht ausgeschlossen, daß der Ausgenommene in zwei oder mehreren Staaten 
des Deutschen Reiches die Staatsangehörigkeit besitzt. (Vgl. Erlaß des preuß. 
Min. d. J. vom 3. Okt. 1872, Ml. S. 249.) 
In meiner im Jahre 1908 veröffentlichten „Reform"“"*) hatte ich in § 2, 
der als allgemeiner Teil gleich im Anfang des Gesetzes an Stelle des § 7 d. G. 
vom 1. Juni 1870 kommen sollte, vorgeschlagen, daß mit der Erteilung einer 
neuen Bundesstaatsangehörigkeit ohne weiteres die bisherige erlösche. Ich 
habe diesen Vorschlag damit begründet, daß durch diese Bestimmung, die eine 
besondere Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit überflüssig macht, 
ferner die ganz nutzlose Angehörigkeit zu mehreren Bundesstaaten ausschließt, 
Kollisionen besonders in Armenrechtssachen verhütet werden würden. 
Dem gleichen Gedanken hatte der Regierungsentwurf durch seine 88 20 u. 27 
Ausdruck verliehen. Diese Paragraphen sind jedoch von der Reichstagskommission 
mit der Begründung abgelehnt worden, daß „die Zusammengehörigkeit und der 
Einheitsgedanke die Beibehaltung innerstaatlicher doppelter Staatsangehörig- 
keit verlange, die staatsrechtlichen Schwierigkeiten aber durch den neu ein- 
gefügten § 20 beseitigt wurden“ (Komm.-Ber. S. 54). Der Verfasser kann sich 
dieser Ansicht, daß durch die Anhäufung von Staatsangehörigkeiten auf eine 
Person die Zusammengehörigkeit und der Einheitsgedanke gestärkt werden, 
nicht anschließen. Es dürfte als sicher anzunehmen sein, daß der Deutsche im 
Auslande sich seiner mehrfachen Landesangehörigkeiten nicht rühmen, sondern 
einfach sagen wird: „Ich bin Deutscher.“ Daß mit dieser allgemeinen Be- 
zeichnung das Reichsgesetz beginnen müsse, hat der Verfasser in seiner oben- 
*) Cahn, Zur Reform des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes, Berlin, 
Guttentag, 1908. 
8 7.
	        
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