Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die Staatsschuld und die Reichsstände. 77 
des Hofhalts nach freiem Ermessen aus den Domanialeinkünften bestritten; 
jetzt schrieb sie sich selber ein unüberschreitbares Jahreseinkommen vor, 
eine bescheiden bemessene Summe, die nur bei knapper Wirthschaft aus— 
reichte, da die Ausgaben des Hofes durch die Erwerbung der neuen Pro— 
vinzen beträchtlich gestiegen waren. Der absolute König bezog also fortan, 
gleich den constitutionellen Fürsten, eine gesetzliche Civilliste; indeß wurde 
der verrufene moderne Name vermieden und das königliche Einkommen 
nicht wie in mehreren der süddeutschen Staaten blos für die Lebenszeit 
des Landesherrn, sondern ein- für allemal festgestellt, was der Würde des 
Thrones besser entsprach. Die Prinzen erhielten auch keine Apanagen vom 
Staate, sondern der König blieb, den Traditionen der Hohenzollern ge— 
mäß, das unbeschränkte Oberhaupt des königlichen Hauses, er bestimmte 
den Mitgliedern der Dynastie ihr Einkommen nach alten Vorschriften 
und Testamenten, die als Familiengeheimniß behandelt wurden. Damit 
ward ein schweres Hinderniß der Verfassung aus dem Wege geräumt, da 
Friedrich Wilhelm so unziemliche Verhandlungen, wie sie der badische 
Landtag über das Einkommen des Fürstenhauses geführt, nie ertragen 
hätte, und zugleich den künftigen Reichsständen ein wirksames Recht ge— 
währt; denn ohne deren Genehmigung durfte die Krone fortan die zur 
Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld bestimmten Domanialeinkünfte 
nicht mehr schmälern. 
Das ganze Schuldenwesen sollte künftighin den Reichsständen unter— 
geordnet werden; nur unter ihrer Mitgarantie, so versprach der Artikel 2, 
konnte der König neue Anleihen aufnehmen. Bis ins Einzelne wurden 
die Rechte der reichsständischen Versammlung im Voraus bestimmt. Die 
Schuldenverwaltung erhielt den Auftrag, den Reichsständen jährlich Rechen— 
schaft abzulegen; schied eines ihrer Mitglieder aus, so hatten die Reichs— 
stände dem Könige drei Canditaten zu bezeichnen. Einstweilen sollte der 
Staatsrath die ständischen Rechte ausüben; zur Aufbewahrung der ein— 
gezogenen Obligationen aber wurde vorläufig, bis zur Einberufung des 
allgemeinen Landtags, eine Deputation des Berliner Magistrats hinzu— 
gezogen — eine Vorschrift, die, seltsam und willkürlich wie sie war, offen— 
bar nur als Nothbehelf für kurze Zeit dienen sollte. Alle diese Zusagen 
hatte der König unbedenklich genehmigt. Der Staatskanzler glaubte sich 
schon fast am Ziele seiner Wünsche. Nach allen diesen neuen Verhei— 
ßungen schien die Vollendung der Verfassung unausbleiblich, und mit 
schwerem Herzeleid betrachtete der Badener Berstett, der Getreue Metter— 
nich's, dies unglückliche Edikt, das so schlimme Mißdeutungen veranlassen 
müsse.) Wohl war es ein gefährliches Wagniß, daß Hardenberg wieder 
wie so oft schon das königliche Wort für eine unbekannte Größe verpfändete, 
die Rechte der Krone zu Gunsten eines Reichstags, der noch gar nicht 
  
7) Berstett an General Stockhorn, Januar 1820.
	        
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