Laubes und Gutzkows Dramen. 391
Verstande lag die feine Pointe des Lustspiels näher als das tragische
Pathos. Im Urbild des Tartuffe schilderte er geistreich, mit allem Auf—
wande bühnengerechter heiterer Überraschungen, das Los des komischen
Dichters, den alle loben, solange sie sich nicht selbst von den Pfeilen seines
Witzes getroffen fühlen; in Zopf und Schwert ebenso lebendig, mit dick
aufgetragenen Farben, den Gegensatz altpreußischer Soldatenderbheit und
feiner moderner Weltbildung. In diesem vaterländischen Drama klang
sogar zuweilen ein gemütlicher Ton warmer Berlinischer Heimatliebe
durch; die grob gezeichnete Gestalt Friedrich Wilhelms J. war doch lebendig
genug, um in preußischen Herzen ein Gefühl launigen Behagens zu er—
wecken, und selbst die ängstliche Berliner Theaterzensur mußte endlich ein—
sehen, daß die alte engherzige Vorschrift, welche die Person des Fürsten—
hauses von den Brettern ausschloß, nur der Sache des Königtums selber
schadete: wenn die großen Hohenzollern auf der Bühne erschienen, so
wurden sie dem Volke doch ungleich verständlicher als durch Denkmäler
oder Gemälde.
Gutzkows Trauerspiele dagegen verrieten überall, daß der nervöse,
friedlose, unruhig grübelnde Dichter zur inneren Freiheit noch nicht ge—
langt war. Im Richard Savage wurde ein tiefsinniger Stoff, der Wider-
spruch zwischen dem natürlichen Gefühle und der gesellschaftlichen Heu-
chelei, unter allerhand geistreichen Einfällen und gezierten Gesprächen
so leichthin abgetan, daß der sittliche Gehalt der Fabel ganz verloren
ging; im Patkul mußte die abstrakte Freiheitsrhetorik, im Wullenweber
gar das Zeitungsschlagwort die tragische Leidenschaft ersetzen. In seinem
hastigen Schaffen ließ er sich nicht Zeit zu der umständlichen Ausführung
der Charaktere, die er doch selbst an Schiller bewunderte, und vermochte
darum auch nicht so fest an seine Menschen zu glauben wie Schiller an
den Max oder den Tell. Fast noch unsicherer sprach sein sittliches Gefühl
im Uriel Acosta, der vielbewunderten Tragödie der freien Forschung: der
Held war kein Denker, sondern ein Zweifler, kein Bekenner, sondern ein
Schwächling, der nur durch die Verkettung der Umstände, nicht durch
freien Entschluß vor schimpflichem Widerrufe bewahrt wurde. Aber in
diesen Tagen der freien Gemeinden und des Deutschkatholizismus klang
der Vers „die Überzeugung ist des Mannes Ehre“ ganz unwiderstehlich.
Die Hörer vergaßen willig die Erbärmlichkeit des Helden, da das Stück
doch in sehr wirksamen Szenen den Kampf des freien Gedankens wider
das verknöcherte Dogma vorführte; und obschon die mächtige Judenschaft
dem Dichter grollte, weil er nicht die landesüblichen christlichen Priester,
sondern Rabbiner als Vorkämpfer des Gewissenszwanges auftreten ließ,
so blieb das Stück gleichwohl ein Liebling der aufgeklärten Freigeister, und
noch viele Jahre später pflegte die kirchliche Reaktion überall, wo sie
siegte, mit Verboten gegen den Uriel einzuschreiten.
Wie viel Verfehltes auch mit unterlief, das deutsche Theater besann