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hin bedarf das Reich zur Bildung seines Staatswillens der
Tätigkeit seiner Organe, der Einzelstaaten. Den Einzelstaaten
steht aber als „den zur Trägerschaft staatlicher Funktionen be—
rufenen Staaten“?) auch die subjektive Berechtigung auf
staatliche Organschaft zu. Mit der Berechtigung allein
ist jedoch den Einzelstaaten nicht genügt. Hinzukommen muß
auch die Anerkennung dieser Berechtigung seitens des Reiches,
ohne die der Anspruch rechtlich keine Bedeutung hat. Diese An—
erkennung durch das Reich findet ihren Ausdruck darin, daß das
Reich die Einzelstaaten als Organe seines Willens auch tätig
werden läßt. Denn ebenso wie der Wahlberechtigte erst in der
Teilnahme an den Wahlen selbst die Anerkennung seines
Rechtes findet 3), kann auch bei den Einzelstaaten erst dann
von einer wahren Berechtigung auf Organschaft die Rede sein,
wenn ihnen die Ausübung ihrer Organfunktionen durch das
Reich gewährleistet wird, d. h. wenn sie als Organe des Staats-
willens tätig werden.
Der staatliche Wille des Deutschen Reiches wird nun aus-
geübt durch dessen Organe: Kaiser, Bundesrat und Reichstag.
Hier im Rahmen dieser Arbeit interessiert nur die Tätigkeit des
Bundesrates als desjenigen Organes, in welchem die Re-
gierungen der einzelnen Staaten durch den Mund ihrer Bevoll-
mächtigten ihren Willen zum Ausdruck bringen lassen. Wenn
auch die Bevollmächtigten zum Bundesrat Organe der Einzel-
staaten sind, so ist damit noch nicht gesagt, daß der Bundesrat,
als Ganzes betrachtet, Organ der sämtlichen Bundesregierungen
ist1). Der Bundesrat ist vielmehr ein Reichsorgan. Nach
der Ansicht Labandsyy soll er außerdem auch noch Organ
der Einzelstaaten zur Ausübung und Geltendmachung ihrer
Mitgliedschaftsrechte sein. Die Anhaltbarkeit dieser Ansicht er-
gibt sich ohne weiteres, wenn man in Erwägung zieht, daß die
2) Jellinek, System, S. 287.
3) Jellinek, System, S. 152f#.
4) Vgl. Kliemke, a. a. O. S. 24ff.
5) Staatsrecht, Bd. I S. 236.