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vier bis sechs Meter hoch aufragen, hohle, gerade
Schäfte mit einem Büschel großer Blätter und
einer langen dichten Blütenähre. Über dieser
Krautwildnis erheben sich einzelne mächtige
Bäume, zum Teil noch in voller Kraft, zum
Teil angebrannt und verdorrte Aste wie an-
klagend aufreckend, traurige Reste einer rücksichts-
los vernichteten Waldvegetation. Der eigentliche
Wald dürfte in seinem Charakter und auch in
seiner floristischen Zusammensetzung dem der
Usambara-Berge und des Kilimandscharo am
nächsten kommen, wenigstens der östliche Teil.
Dafür spricht u. a. das Vorkommen des vom
Kilimandscharo zuerst beschriebenen Cornus
Volkensii, eines mit der Kornelkirsche ver-
verwandten Baumes, sowie des Stearodendron,
einer Guttifere von mächtigen Dimensionen mit
schönen kirschroten Blüten, eines Riesen des
Waldes. Sehr häufig ist ein Olbaum, mit
geradem grauen Stamm und aufstrebenden Asten,
die eine flache Krone tiefdunkelgrünen Laubes
tragen. Bemerkenswert sind die zahlreichen
Moore und Brüche an den Quellbächen des
Rukarara, in denen eine andere Art hochschäftiger
Lobelien besonders auffällt; Torfmoosarten, eine
rosa blühende Erika und Myrikabüsche erinnern
an heimische Moore. Ganz heimatlich muten
auch die vielen grauen Bartflechten an den
Zweigen an. Jenseits der Wasserscheide ändert
sich der Charakter; die Flechten, der Olbaum,
der Cornus verschwinden, es treten aber zwei
Arten von Podocarpus, allerdings nur spärlich,
auf; eine Meliazee, mit sehr großen lederigen
Fiederblättern, wahrscheinlich eine Eckebergia,
wird hier häufiger, und ein riesiges Parinarium
kommt hinzu. Am westlichen Rande bildet eine
große Dimensionen erreichende Faurea von ganz
weidenartigem Habitus geschlossene, aber lichte
Bestände. Darauf folgt wieder eine Ver-
nichtungszone mit Adlerfarn und gegen den Kiwn
auch Hänge mit ursprünglicher Gebirgssteppe, die
sich freilich in dem reich angebauten Lande nur
in Resten und stark verändert erhalten hat.“
„Die Fauna dieses Bergurwaldes enthält,"
wie Dr. Schubotz angibt, „Formen, die wir
vom Kilimandscharo, den Bergwäldern von
Usambara und vom Ruwenzori her kennen.
Cynniris medioeris, ein reizender kleiner kolibri-
ähnlicher Vogel, der schöne blangrüne Pisang=
fresser, Turacus Johnstoni, Charaktervogel des
Rugege-Waldes, ein mit drei Hörnern versehenes
Chamäleon und ein Kolobusaffe sind solche
typischen Hochgebirgsformen. Von großen Säugern
leben hier: Elefanten, Büffel, offenbar die west-
liche Form, der sogenannte Rotbüffel der Kongo-
lesen, Buschböcke und Schweine. Von wirbel-
losen Tieren beanspruchen besonderes Interesse
Strudelwürmer (Planarien), die in dem eisig-
kalten Wasser des Rukarara häufig sind. Schmetter-
linge und andere Insekten sind spärlich und ent-
sprechen nicht den Vorstellungen, die man sich
in Europa von einem zentralafrikanischen Urwalde
zu machen pflegt. Aber man bedenkt dort auch
nicht, daß hier, wenige Grade unter dem Aquator,
die Temperatur des Nachts bis auf 0 Grad sinkt
und am Tage oft nicht über 10 Grad Réaumur
steigt. Unter diesen Umständen machte sich der
Einfluß der Wasserscheide zwischen Nil und Kongo-
system, die auf dem Marsche nach Ischangi über-
schritten wurde, auffallend bemerkbar. Die mehr
tropische Natur dieses westlichen Waldteiles offen-
barte sich in dem plötzlichen Auftreten großer
Scharen von Graupapageien, die bisher nur
spärlich waren, und des Riesenturaco (Cory-
thaeola cristata), eines bisher noch ganz fehlenden
Charaktervogels des westlichen Afrika.“
„Von Ischangi aus gelangten wir nach drei-
tägiger Bootfahrt über den Kiwu-See nach
Kissenhi. Hier im Standlager der Expedition
wurden die Sammlungen geordnet und versandt,
die Ausrüstung vervollständigt und dann zur
Erforschung des Sees und seiner Inseln
geschritten. Durch Fisch-, Dredge= und Plankton-
züge ergab sich eine ganz auffallende Artenarmut
dieses Gewässers, die sehr wohl mit der Theorie
von seiner rezenten Entstehung übereinstimmt.
Der See ist durchaus nicht fischarm, aber die
Arten gehören bis auf wenige Ausnahmen einer
einzigen Familie, den Chromiden, barschähnlichen,
sehr schmackhaften Fischen, an. Muscheln und
Wasserschnecken fehlen völlig, von Krustazeen
finden sich nur Taschenkrebse und Planktonformen
vor. Die fossile Fauna, Bryozoen (Moostierchen)
und Spongien (Schwämme) scheinen ebenfalls
völlig zu fehlen, was wohl mit der Armut des
Sees an Wasserpflanzen zusammenhängt.“
„Dredgezüge brachten ausnahmslos nur reinen
Kiessand, wie er namentlich das Nordufer bei
Kissenyi bedeckt, ans Tageslicht. Ahnlich wie die
Fische verhält sich das Plankton. Es ist quanti-
tativ reich, aber sehr einförmig. Bei weitem
vorherrschend sind in ihm Kopepoden, mikroskopisch
kleine Krebschen, die auch unsere heimischen Ge-
wässer reich bevölkern.
Eine zweiwöchige Exkursion machten der
Botaniker und ich nach den großen Inselu
Magarura, Wau und Kwidschwi. Magarura
ist zum größten Teil mit dichtem Buschwald be-
standen, der seiner Zusammensetzung nach ganz
den Charakter des östlichen Steppenbusches trägt.
Wau hat eine ganz andere Vegetation, zum Teil
hohes Elefantengras mit einigen Steppenbäumen,
zum Teil aber einen fast undurchdringlichen Baum-
buschwald, in dem die große Zahl (7 bis 8) von