Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

230 ꝛ 
Sachen des Handels keine Partei hin und 
her. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß der 
Handel ganz genau weiß, was er braucht und 
will. Ich muß mich gegen ihn bloß dann wenden, 
wenn statt usus abusus eintritt. Und da hat 
man gesagt: der Inder wuchere die Schwarzen 
aus. Das sagen die Leute. Aber wenn jemand 
einen anderen auswuchert, dann kann man ihn 
bestrafen lassen. Meldet es nur! Wir werden 
ihn strafen. 
Dann ist es doch sehr wunderbar, daß gerade 
die kleinen Pflanzer sagen: der Inder wuchere 
die Schwarzen aus. Was will aber der kleine 
Pflanzer? Er will an die Stelle des Inders 
treten. Der Inder muß geradezu vernichtet 
werden, damit der kleine Pflanzer arbeiten kann. 
Warum? Wenn jemand mit Kosten und Kapital- 
ausstattung nach Afrika geht, wenn er rechnen 
muß, daß er höchstens zehn Jahre dort leben 
kann, wenn er europäische Bedürfnisse nicht auf- 
geben kann, dann muß er eben eine größere 
Summe Geldes im Jahr einnehmen. Er braucht 
das Vermögen, mit dem er nach Hause gehen 
will; denn in der Heimat hat er sich entwurzelt. 
Alles das braucht der Inder nicht. Er lebt sein 
ganzes Leben dort. Er hat geringe Bedürfnisse 
und vererbt sein Geschäft vom Vater auf den 
Sohn. So habe ich die Behauptung für un- 
richtig gefunden, die Inder verschleppten das 
Geld außer Landes. Vielmehr sind es die Inder, 
die lange dort bleiben, viel länger als die Euro- 
päer. Es sind oft große Häuser. Ein Beamter 
hat mir einmal gesagt: sehen Sie, was für Geld 
nach Bombay kommt! Jedes Jahr geht so und 
so viel hinaus in Postanweisungen. M. H., 
wenn aber jemand ein großes Vermögen macht, 
schickt er sein Vermögen nicht in Postanweisungen 
mit Maximalsummen von 400 Mk. fort und wenn 
jemand ein Kaufmann ist, schickt er nicht den 
Überschuß an eine Bank, sondern er steckt ihn 
ins Geschäft und erweitert es. Dieser Abfluß des 
Geldes nach Indien ist die Bezahlung für die 
Tücher, für den Reis usw. Keine kleine Summel 
Daraus ist aber nichts zu entnehmen. Im 
Gegenteil: ich habe viel mehr alte Inder in Ost- 
afrika gesehen als alte Deutsche. 
Heute kann jeder Weiße neben dem Inder 
sein Geschäft machen. Aber der Weiße ist nicht 
so konkurrenzfähig. Deshalb wird verlangt, daß 
der Inder entfernt werde. Nun, m. H., daß der 
Inder ein hbchst anständiger und sauberer Ge- 
schäftsmann ist, kann kein Mensch behaupten. 
Das ist gar nicht die Frage. Was können Sie 
von einem Hausierer verlangen? (Heiterkeit.) Was 
für Erfahrungen haben wir mit den deutschen 
Kleinhändlern gemacht? (Heiterkeit.) 
Unsere Erfahrungen lehren, daß wir immer 
  
die größten Schwierigkeiten mit den deutschen 
Händlern gehabt haben. Sie haben den Ein- 
geborenen ihr Vieh weggetrieben, sich mit den 
Sultanstöchtern verheiratet. Sie haben mit dem 
schwarzen Sultan getrunken und den deutschen 
Namen fast mehr heruntergebracht als irgend 
etwas anderes. Warum sollen wir uns darüber 
echauffieren? Lassen wir den Händler seinen Weg 
gehen! Sind die Gesetze nicht ausreichend, um 
die Auswucherung der Schwarzen durch Inder 
zu verhindern, so machen wir sie schärfer. Aber 
ich habe keine Lust, die Zerstörung des Handels 
von 36 Millionen und einen Ausfall an den vier 
Millionen Fiskaleinnahmen zustande zu bringen. 
Die deutschen Kaufleute sagen, ohne den Inder 
können wir nicht arbeiten. Und ich glaube ihnen 
das. Alle diese Einnahmen, die wir haben, ba- 
sieren auf dem Handel. Es ist ein Unrecht zu 
verlangen, man solle den Inder vernichten. 
Nun zur Kleinsiedlung. Ich moöchte sie 
gern unterstützen. Die kleinen Siedler in Ost- 
und West-Usambara werden schon von der Re- 
gierung möglichst unterstützt in einer Form, die 
sich etatmäßig nicht zeigt. Bei den Straßen- 
bauten gibt man ihnen Lose, um ihnen bares 
Geld in die Hand zu geben. Aber dann kommen 
sie wieder und sagen: Die Regierung ist gegen 
eine deutsche Besiedlung in Ostafrika. Wie un- 
richtig ist das! Am 23. September hat mir der 
Farmerverein in West-Usambara eine Eingabe 
übermittelt, aus der ich folgendes vorlese. Es 
sind 17 Kolonisten in West-Usambara und die 
hatten geschrieben: 
In dem Gebirge im Westen von Usambara 
haben 20 Familien Platz; 17 sind schon da, nun 
wollen sie noch drei hereinlassen und das soll die 
Regierung betreiben. 
M. H.! Auch sonst sind die Anforderungen 
dieser kleinen Farmer nicht besonders bescheiden; 
weil es sich aber um schwer kämpfende Existenzen 
handelt, möchte ich besonders mild verfahren und 
denen, die dort sind, nach allen Richtungen hin 
gern helfen. Aber eine große Einwanderung 
nach Ostafrika ist heute nicht an der Zeit. 
Es sind schon zuviel Reibungsflächen vorhanden 
und dann müssen Sie selbstverständlich so und so- 
viel Polizisten und so und soviel Ausgaben für 
die Rechtspflege mehr haben, daß das nicht lohnt. 
Wenn wir einmal die Oberhand haben und wissen, 
was der Deutsche in den Tropen leisten kann, 
sind wir gern bereit, uns darüber zu äußern. 
Heute sage ich: Wer hinausgeht, ist will- 
kommen; er wird behandelt wie jeder andere, 
aber einen Gegenstand für besondere Bene- 
fizien kann er nicht bilden. 
Um dieser Frage überhaupt näher zu treten, 
habe ich das Kaiserliche Gesundheitsamt veran-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.