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wir wenige Schritte vorwärts, als plötzlich das
Kreischen in unmittelbarer Nähe, fast über unsern
Köpfen, ertönte. Die Situation war kritisch, denn
die Gefahr lag nahe, daß die Gorillas jeden
Augenblick den Baum verlassen konnten. Da
endlich erreichte ich eine Stelle, wo das Blätter-
dach eine Durchsicht gestattete. Durch diesen Kreis
bemerkte ich fast zu meinen Häupten einen mäch-
tigen Affen auf dem Aste eines wohl 60 m hohen
Mutoie. Unverzüglich flog die Büchse an die
Schulter, krachend rollt der Schuß durch den
Wald. Ein schwerer Schlag und wütendes Ge-
brüll war die Antwort. Da schiebt sich ein zweites,
anscheinend jüngeres Exemplar durch die Laub-
krone. Der dumpfe Kugelschlag gibt mir auch
hier die Gewißheit eines Treffers.
So schnell als möglich arbeiteten wir uns
nun bis an den Baum heran, an dessen Stamm
eine sehr starke Schweißfährte herunterführte.
Sie verlor sich im Gebüsch, in dem wir den
Gorilla schwerkrank den Hang hinunterflüchten
hörten. Einem Affen, selbst einem kranken, im
Walde zu folgen, ist für den Europäer zwecklos.
So gab ich auch bald erschöpft die Nachsuche auf.
Auf den Schuß erschienen aber nach kurzer Zeit
einige unserer Leute, die in weitem Abstand ge-
folgt waren. Das Versprechen eines hohen Bak-
schisch spornte ihre Kraft an, und im Augenblick
glitten sie auf der Fährte dem Wilde nach.
Einige Minuten höchster Spannung folgten, dann
tönten schwach gedämpfte Rufe zu uns hinauf,
die in mir ein unbeschreibliches Siegesgefühl aus-
lösten. Unten in der Schlucht hatten die Leute
den Affen gestellt und mit einem Speerstich end-
gültig gestreckt. Da die Leute erklärten, den
schweren Burschen nicht allein herausschaffen zu
können, sandte ich ihnen vom Lager aus einen
Askari mit einer Hilfskarawane. Zwei Stunden
später wurde er an einer starken Bambusstange
im Triumphe eingebracht. Es war ein starkes
lüngeres Männchen. Das kleinere Exemplar konnte
trotz starken Schweißverlustes nicht zur Strecke
gebracht werden.
Der erlegte Affe ist der erste im Bugoiewalde
von einem Europäer gesichtete Gorilla. Aber die
enge faunistische Verwandtschaft dieses Gebietes
läßt auch hier die Annahme einer nahen Ver-
wandtschaft mit Gorilla Behringei zu, falls sich
aant sogar die Identität mit diesem herausstellen
Der nächste Tag brachte dem pdre supérieur
ein gleiches Weidmannsheil. Nach ähnlichen An-
strengungen gelang es ihm, den Schlafbaum zu
erreichen, von dem er ein jüngeres Exemplar
herunterschoß. Als er sich schnell dem Verendenden
nähern wollte, wurde plötzlich der Busch lebendig;
auf wenige Schritte erschien das fletschende Gebiß
eines alten Männchens, das nicht übel Lust zeigte,
ihn anzugreifen. Mit der Kugel in der Brust
verendete aber auch dieses nach wenigen Minuten.
Trotzdem räumte die Herde noch nicht das Feld;
um den Jäger her zeigten sich noch längere Zeit
die erbosten Tiere, die sich erst allmählich und
langsam verzogen.
Das Fell des Alten war mit grau-gelben
Haaren durchmengt, die Hände und das Gesicht
zeigten in Übereinstimmung mit meinem Exemplar
tiefe Schwärze, während das jüngere, ein Weibchen,
von bedeutend geringerer Körperlänge war und
bei tiesschwarzem Haarkleide eine gelbliche Fär-
bung des Gesichtes und der Handflächen aufwies.
1. Februar 1908.
Von Kasindi, am Nordende des Albert-
Edwardsees, wo wir Weihnachten verlebten, er-
reichte die Expedition in vier Tagemärschen
Béni. Bei Karim wurde der Semliki über-
schritten und am Tage darauf bei der Missions-
station St. Gustave gelagert, wo uns der pere
supérieur sehr gastlich aufnahmen. Die Häuser
und Kapellen machten einen wohlgepflegten Ein-
druck, der durch das symphatische Auftreten der
Geistlichen noch verstärkt wurde, die sich wegen
ihrer Nichteinmischung in politische Angelegen-
heiten der besonderen Achtung der Kongolesen
erfreuen.
Das folgende Lager Sumbia brachte uns
die völlig überraschende, aber um so erfreulichere
Begegnung mit einem österreichischen Jagdgenossen,
dem Husarenrittmeister Oreydt; der 13. Januar
zeigte uns schon von weitem die sauberen Häuser
von Béni. Viele Büffel= und Elefantenpfade
verrieten die Häufigkeit dieses Wildes.
In Béni empfing uns der commandeur
supérieur Derch mit den Herren seines Stabes,
die ihren Inspektionsaufenthalt freundlicherweise
bis zu unserem Eintreffen ausgedehnt hatten.
Denn der Posten gehört noch zum Gebiet des
Russissi-Kivu und zur selben Zone wie Rutshura,
die dem Kapitän Baudelet untersteht, während
als chef de secteur Kapitän Béngets seines
Amtes waltet. Nächst dem deutschen Posten
Kissenyi am Kivusee ist Béni wohl der an-
sprechendste Innenposten, den wir berührten. Der
plateauartige Hügel, der ihn trägt, wird am Süd-
rande vom zentral-afrikanischen Graben bis auf
eine trennende Ebene begrenzt. An seinem West-
rande wird er vom großen, bis nach Kamerun
ausgedehnten Walde berührt, während der Süd-
osthang steil zum Semliki abfällt, der sich in
einer Durchschnittsbreite von etwa 100 m dicht
unterhalb des Postens entlangwindet.
Der Posten hat, wie Rutschurru, eine starke
militärische Besatzung. Der kommerzielle Verkehr
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