G 220 20
gierung gestärkt wird. Deswegen habe ich
mich grundsätzlich um die Rechtspflege im Schutz-
gebiet gekümmert. In der Natur der Neger liegt
es, daß die bestehende Rassenjustiz auf längere
Zeit nicht wird geändert werden und daß gewisse
Züchtigungsmittel, welche die Heimat perhorresziert,
auch nicht abgeschafft werden können. Ich habe
mich nach dieser Richtung ganz besonders um-
geschaut. Um so wichtiger ist es aber, daß diese
Rechtslage mit Garantien umgeben bleibt, die
eine willkürliche und unüberlegte Handhabung
der Strafmittel durch die mit richterlichen Be-
fugnissen ausgestatteten Personen ausschließen. Ich
habe mich bereits in einer in Oldenburg ge-
haltenen Ansprache damit beschäftigt, wie es in
den Negergerichten zugeht und ich kann mich hier
darauf beschränken, zu sagen, daß ich sehr viel
positives Recht gefunden habe, das zur Beilegung
von Rechtsstreitigkeiten und zur Ahndung von
Rechtsbrüchen in der Bevölkerung gesprochen wird.
Das ist zu erkennen auch an der Haltung der
Schwarzen.
Dagegen ist bei einem Streit zwischen einem
Schwarzen und einem Weißen die Lage des
Schwarzen ungünstig. Hat ein Weißer gegen
einen Schwarzen etwas vorzubringen, so schreibt
er einen Zettel, und die Sache wird durch ein
Schauri abgemacht. Hat ein Schwarzer eine
Klage gegen einen Weißen, so muß er hingehen
zum Gericht, muß Vorschuß zahlen; er wird mit
den in der Heimat üblichen Formalitäten be-
lastet, er bekommt schließlich ein Urteil oder einen
vollstreckkaren Titel in die Hand, mit dem er
nichts anzufangen weiß, mit laufenden Terminen
und Fristen. (Heiterkeit.)
Sie dürfen nicht vergessen, daß es in dem
ganzen Schutzgebiet (es ist zweimal so groß wie
Deutschland) drei Gerichte gibt, wo der Schwarze
gegen den Weißen etwas vorbringen kann. Wenn
ein Schwarzer eine Klage gegen einen Weißen
in Tabora hat, so muß er sich in 17 Tagereisen
nach Muansa begeben; wenn einer in Morogoro
oder in Mombo oder in dem Hinterlande wohnt,
das zu dem Daressalamer= oder Tanga-Gebiet
gehört, muß er mit der Eisenbahn einen Tag lang
fahren.
Nun will ich versuchen, an einem einfachen
Beispiel festzustellen, wie diese Rechtslage wirkt.
Angenommen, der Weiße A. hat den Schwarzen B.
als Plantagenarbeiter angeworben. Er hat ihm
einen Kontrakt vorgelesen, wonach der Schwarze
so und so viel Tage zu arbeiten hat; der
Schwarze hat sich einverstanden erklärt. Nach
vierzehn Tagen läuft der Schwarze wegen schlechter
Behandlung oder aus einem sonstigen Grunde weg.
Der Weiße macht eine Anzeige, der Schwarze
wird ergriffen und wegen Kontraktbruchs bestraft
— mit Prügel natürlich — und zwangsweise
wieder zurückgeführt. Unmittelbar darauf kommt
der Weiße in Konkurs; das ist schon öfter vor-
gekommen und wird immer wieder vorkommen.
Nun hat der Schwarze zu klagen. Es wird
Termin angesetzt. Er hat die Forderung im
Konkurs anzumelden, hat dem Termine beizu-
wohnen, er bekommt ein vollstreckbares Urteil und
wartet — und wenn die Konkursmasse nach zwei
oder drei Jahren ausgeschüttet wird, weiß man
nicht, wo der Gläubiger überhaupt geblieben ist.
Das sind Dinge, die es den Schwarzen un-
möglich machen, Recht zu finden. Es ist ein Ge-
bot einfachster Gerechtigkeit, daß das geändert
wird. Dies kann durch die Einsetzung von weißen
Eingeborenenkommissaren mit schiedsrichter-
li mit richkerlicher Befugnis geschehen.
Die Einrichtung würde dort zu treffen sein, wo
die Reibflächen zwischen Schwarz und Weiß er-
beblich sind. Es sind erhebliche Reibslächen vor-
handen im Norden, wo es etwa 15 000 Sachsen-
gänger gibt und wo mancherlei übergriffe
vorkommen — nicht nach den Wünschen der
Plantagenleiter, aber aus dem dort vielfach
wechselnden Personal und aus Lederstrumpfideen
heraus, die jüngere Leute mitbringen und für
welche die Plantagenleiter selbst nachher einzu-
treten haben.
Solche UÜbergriffe kamen oft genug aus Denk-
faulheit und auch Eigennutz vor. Ich spreche
mit Ehrlichkeit und sage alles, was zu sagen ist.
Ich werde auch den Weißen, die dort sind, alle
Gerechtigkeit widerfahren lassen.
An der Küste macht es einen unangenehmen
Eindruck, daß so viele Weiße mit der Peitsche
spazieren gehen. Auf dem Tische der Hauptkasse
in Daressalam habe ich eine vorgefunden. (Be-
wegung.) Es ist heute noch stark üblich, und
die Herren, die dort gewesen sind, werden es
mir bestätigen. Jeder Weiße hat ein gewisses
Züchtigungsrecht gegenüber seinen Dienstboten,
Arbeitern usw. (Zuruf.) Sie üben es nicht
überall aus, wie ich gern bestätigen will, sondern
schicken ihre Sachen nach dem Gericht.
Nun kommt es vor, daß mancherlei Fehler
gemacht werden. Das liegt vielfach daran, daß
der Weiße, der hinauskommt, sich nicht die Mühe
gibt, die Landessprache zu erlernen und daß er
dann mancherlei für Bösartigkeit oder Schlechtig-
keit ansieht, was es tatsächlich nicht ist.
Daneben steht noch weiter auf Grund von
Verordnungen den Plantagenleitern und den Kara-
wanenführern ein Züchtigungsrecht zu.
M. H.! Ich gebe diese ganzen Auseinander-
setzungen nur zu dem ausschließlichen Zweck, damit
Sie sehen, wie schwer es sein muß, Schwarze,
die im Innern als freie Bauern ein Leben nach