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der Buschmannskunst zu tun haben, daß die Künstler
noch nicht imstande waren, Tierbilder zu zeichnen
und auszuhauen, sondern daß sie vorerst nur
Spuren der ihnen bekannten Wildarten in natür-
lichem Maßstabe wiedergeben konnten. Die
meisten, etwa 3 bis 5 mm tief eingehauenen,
zum Teil schon etwas verwitterten Spuren liegen
im Rivier selbst, unmittelbar am Wasser, d. h. da,
wo jetzt noch in der Regenzeit Wasser steht oder
fließt. Hier, im kühlen Grunde, im Schatten der
hohen Felswände und der Laubbäume, hatten die
Arbeiter — ich nehme mehrere an, da die Spuren
verschiedene Grade von Kunstfertigkeit und Ge-
schicklichkeit verraten — schattige und angenehme
Arbeitsplätze und dicht neben sich kühles, klares
Wasser, einmal zum Trinken, dann aber auch zum
Schärfen der Meißel, denn das harte Gestein er-
forderte harte und scharfe Bearbeitungsinstrumente.
Welchen Zweck diese Buschmannszeichnungen
gehabt haben, läßt sich sehr schwer beurtilen.
Noch heute wohnen die Buschleute sehr weit, oft
20 bis 30 km, vom Wasser entfernt. Die Wasser-
holer pflegen stets längere Zeit am Wasser zu
verweilen, um sich recht satt trinken zu können;
sie nehmen dann das Wasser für sich und den
Rest der Werft auf viele Tage in Gefäßen mit
sich zurück. Vielleicht hatten die Wasserträger da-
mals das Bedürfnis, während der Zeit, wo sie
am Wasser weilten, sich irgendwie zu beschäftigen,
vielleicht auch wollten sie gewissermaßen Instruk-
tionstafeln für ihre Jugend herstellen. Die Zeich-
nungen sind wohl das älteste kulturhistorische
Denkmal, welches wir in unserer Kolonie besitzen;
sie beweisen ohne Frage, daß die damaligen (vor-
übergehenden oder dauernden) Bewohner der
Otawi-Berge auf einer wesentlich höheren Kultur-
stuse standen als die jetzt in unserer Kolonie
lebenden Eingeborenen. Die Zeichnungen bieten
uns aber auch wertvolle Anhaltspunkte für die
Fauna der damaligen Zeit, denn unzweifelhaft
haben die Tiere, deren Spuren wir heute noch
eingezeichnet sehen, damals in unserer Kolonie
gelebt.
Das Alter der Zeichnungen ist außerordentlich
schwer festzustellen. In der Felsennische sind die
Zeichnungen sehr gut erhalten; hier blieben sie
vor Witterungseinflüssen, insbesondere vor Schlag-
regen und Triebsand, geschützt. An anderen
Stellen dagegen haben Wasser, Steine und Sand
das Ihrige getan, um trotz des außerordentlich
harten Gesteins die Konturen der Zeichnungen zu
verwischen. Im Gedächtnis und Bewußtsein der
Eingeborenen von Ghaub (Nama, Buschleute,
Bergdamara) hat sich auch nicht die geringste Er-
innerung an den Ursprung dieser Zeichen erhalten.
Teilnahmslos starren sie die Spuren an, und nur
ganz wenige Eingeborene kennen überhaupt die
betreffenden Stellen. Mit vieler Mühe habe ich
herausbekommen, daß noch mehrere derartige
Spurenstellen in der Gegend von Ghaub, und
zwar alle nordwestlich des Platzes, vorhanden
sein sollen.
Es wäre in hohem Grade verdienstlich, wenn
alle in Frage kommenden Stellen gründlich unter-
sucht und die Ergebnisse der Wissenschaft zugäng-
lich gemacht würden.
III.
Der Riesenpontok von Haiseums.
Einc knappe Stunde westlich von Nabis liegt
Haiseums (zu deutsch: der falsche Pontok), eine
gewaltige Felsmasse in der Form eines Riesen-
pontoks oder Bienenkorbes. Er lehnt sich an
einen Bergsattel an, und zwar so, daß man auf
dem Wege von Ghaub her über den Sattel nur
wenige Schritte zu steigen braucht, um plötzlich
auf seinem Dache zu stehen. Man ist, aus dem
Buschwald kommend, ganz überrascht über die
weite Fernsicht auf eine große, viele Kilometer
breite Ebene, die, fast überall von Hügelketten
umgeben, sich zu Füßen des Pontoks ausbreitet.
Das Wunderbare ist, daß die Wände des Felsens,
der aus gl ich G gl 1 miti s 13341. ss g
besteht, in das auch die erwähnten Spuren ein-
gemeißelt find, wie Mosaikboden gleichmäßig glatt
abgeschliffen sind. Erst wenn man in die Ebene
hinuntersteigt, bekommt man den richtigen Be-
griff von den Größenverhältnissen des Pontoks.
Ich schätze die Höhe auf 15 bis 20 m, den
Durchmesser in der Basis auf 25 bis 30 m.
Derartig barocke Formen sind hier häufig und
verdanken ihre Gestalt der Verwitterung, die in-
folge des herrschenden Klimas ganz enorm ist.
IV.
Die Wasserstelle Gaus.
Die Pferde der 10. Kompagnie, von einem
Tiger geschreckt, waren einstmals weggelaufen.
Ihre Spuren führten in die Otawi-Berge zu der
vorzüglichen Wasserstelle Gaus. Sie liegt etwa
1700 m hoch. Wenn man die Pad Ghaub—
Rietfontein verläßt und im gewundenen, roman-
tischen Gebirgstal nach Gaus reitet, kommt man,
immer bergan, durch neun immer kleiner werdende
Gebirgskessel. Die Landschaft wird immer mehr und
mehr alpin, und bei Gaus selbst kann man sich mit
geringer Phantasie in die Voralpen versetzt glauben.
Der Platz ist von größtem Werte, denn Malaria
und Pferdesterbe sind dort oben selbst in diesem
starken Regen= und Sterbejahre nicht vorgekommen.
Nebenbei möchte ich bemerken, daß der Weg von
Otawi über Gaus nach Ghaub, namentlich die
zweite Hälfte, zu den schönsten im Norden gehört,
die ich kenne. Die Gebirgsformen, die sonst im