Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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wir wenige Schritte vorwärts, als plötzlich das 
Kreischen in unmittelbarer Nähe, fast über unsern 
Köpfen, ertönte. Die Situation war kritisch, denn 
die Gefahr lag nahe, daß die Gorillas jeden 
Augenblick den Baum verlassen konnten. Da 
endlich erreichte ich eine Stelle, wo das Blätter- 
dach eine Durchsicht gestattete. Durch diesen Kreis 
bemerkte ich fast zu meinen Häupten einen mäch- 
tigen Affen auf dem Aste eines wohl 60 m hohen 
Mutoie. Unverzüglich flog die Büchse an die 
Schulter, krachend rollt der Schuß durch den 
Wald. Ein schwerer Schlag und wütendes Ge- 
brüll war die Antwort. Da schiebt sich ein zweites, 
anscheinend jüngeres Exemplar durch die Laub- 
krone. Der dumpfe Kugelschlag gibt mir auch 
hier die Gewißheit eines Treffers. 
So schnell als möglich arbeiteten wir uns 
nun bis an den Baum heran, an dessen Stamm 
eine sehr starke Schweißfährte herunterführte. 
Sie verlor sich im Gebüsch, in dem wir den 
Gorilla schwerkrank den Hang hinunterflüchten 
hörten. Einem Affen, selbst einem kranken, im 
Walde zu folgen, ist für den Europäer zwecklos. 
So gab ich auch bald erschöpft die Nachsuche auf. 
Auf den Schuß erschienen aber nach kurzer Zeit 
einige unserer Leute, die in weitem Abstand ge- 
folgt waren. Das Versprechen eines hohen Bak- 
schisch spornte ihre Kraft an, und im Augenblick 
glitten sie auf der Fährte dem Wilde nach. 
Einige Minuten höchster Spannung folgten, dann 
tönten schwach gedämpfte Rufe zu uns hinauf, 
die in mir ein unbeschreibliches Siegesgefühl aus- 
lösten. Unten in der Schlucht hatten die Leute 
den Affen gestellt und mit einem Speerstich end- 
gültig gestreckt. Da die Leute erklärten, den 
schweren Burschen nicht allein herausschaffen zu 
können, sandte ich ihnen vom Lager aus einen 
Askari mit einer Hilfskarawane. Zwei Stunden 
später wurde er an einer starken Bambusstange 
im Triumphe eingebracht. Es war ein starkes 
lüngeres Männchen. Das kleinere Exemplar konnte 
trotz starken Schweißverlustes nicht zur Strecke 
gebracht werden. 
Der erlegte Affe ist der erste im Bugoiewalde 
von einem Europäer gesichtete Gorilla. Aber die 
enge faunistische Verwandtschaft dieses Gebietes 
läßt auch hier die Annahme einer nahen Ver- 
wandtschaft mit Gorilla Behringei zu, falls sich 
aant sogar die Identität mit diesem herausstellen 
Der nächste Tag brachte dem pdre supérieur 
ein gleiches Weidmannsheil. Nach ähnlichen An- 
strengungen gelang es ihm, den Schlafbaum zu 
erreichen, von dem er ein jüngeres Exemplar 
herunterschoß. Als er sich schnell dem Verendenden 
nähern wollte, wurde plötzlich der Busch lebendig; 
auf wenige Schritte erschien das fletschende Gebiß 
  
eines alten Männchens, das nicht übel Lust zeigte, 
ihn anzugreifen. Mit der Kugel in der Brust 
verendete aber auch dieses nach wenigen Minuten. 
Trotzdem räumte die Herde noch nicht das Feld; 
um den Jäger her zeigten sich noch längere Zeit 
die erbosten Tiere, die sich erst allmählich und 
langsam verzogen. 
Das Fell des Alten war mit grau-gelben 
Haaren durchmengt, die Hände und das Gesicht 
zeigten in Übereinstimmung mit meinem Exemplar 
tiefe Schwärze, während das jüngere, ein Weibchen, 
von bedeutend geringerer Körperlänge war und 
bei tiesschwarzem Haarkleide eine gelbliche Fär- 
bung des Gesichtes und der Handflächen aufwies. 
1. Februar 1908. 
Von Kasindi, am Nordende des Albert- 
Edwardsees, wo wir Weihnachten verlebten, er- 
reichte die Expedition in vier Tagemärschen 
Béni. Bei Karim wurde der Semliki über- 
schritten und am Tage darauf bei der Missions- 
station St. Gustave gelagert, wo uns der pere 
supérieur sehr gastlich aufnahmen. Die Häuser 
und Kapellen machten einen wohlgepflegten Ein- 
druck, der durch das symphatische Auftreten der 
Geistlichen noch verstärkt wurde, die sich wegen 
ihrer Nichteinmischung in politische Angelegen- 
heiten der besonderen Achtung der Kongolesen 
erfreuen. 
Das folgende Lager Sumbia brachte uns 
die völlig überraschende, aber um so erfreulichere 
Begegnung mit einem österreichischen Jagdgenossen, 
dem Husarenrittmeister Oreydt; der 13. Januar 
zeigte uns schon von weitem die sauberen Häuser 
von Béni. Viele Büffel= und Elefantenpfade 
verrieten die Häufigkeit dieses Wildes. 
In Béni empfing uns der commandeur 
supérieur Derch mit den Herren seines Stabes, 
die ihren Inspektionsaufenthalt freundlicherweise 
bis zu unserem Eintreffen ausgedehnt hatten. 
Denn der Posten gehört noch zum Gebiet des 
Russissi-Kivu und zur selben Zone wie Rutshura, 
die dem Kapitän Baudelet untersteht, während 
als chef de secteur Kapitän Béngets seines 
Amtes waltet. Nächst dem deutschen Posten 
Kissenyi am Kivusee ist Béni wohl der an- 
sprechendste Innenposten, den wir berührten. Der 
plateauartige Hügel, der ihn trägt, wird am Süd- 
rande vom zentral-afrikanischen Graben bis auf 
eine trennende Ebene begrenzt. An seinem West- 
rande wird er vom großen, bis nach Kamerun 
ausgedehnten Walde berührt, während der Süd- 
osthang steil zum Semliki abfällt, der sich in 
einer Durchschnittsbreite von etwa 100 m dicht 
unterhalb des Postens entlangwindet. 
Der Posten hat, wie Rutschurru, eine starke 
militärische Besatzung. Der kommerzielle Verkehr 
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