Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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bevölkerung. Die Nachkommen der reinen Euro- 
päer besitzen nicht mehr die Energie und Arbeits- 
kraft ihrer Vorfahren, sie sind verweichlicht und 
arbeitsscheu, nur ein hoher Rassedünkel ist 
ihnen geblieben. Das Sprichwort „Müßigang 
ist aller Laster Anfang“ scheint bei ihnen sich zu 
bewähren, denn nicht selten ist gerade eine 
moralische Degeneration bei ihnen bemerkenswert. 
Man härt oft die Meinung äußern, daß nur 
die romanischen Völker eine Neigung zeigen, 
sich mit Eingeborenen tropischer Länder zu ver- 
mischen, die germanischen dagegen nicht. Daß in 
dieser Beziehung ein Unterschied besteht, will ich 
nicht leugnen, es darf aber nicht übersehen werden, 
daß die lokalen Verhältnisse und die Rasse der im 
Lande befindlichen Eingeborenen dabei eine große 
Rolle spielen. In Südafrika haben sich die 
Holländer rein erhalten, weil sie dort für ihre 
Fortpflanzung günstige Bedingungen trafen; auf 
ihren rein tropischen malalschen Kolonien ist aber 
schon viel Mischblut entstanden. Gerade die 
europäischen Frauen leiden im tropischen Küsten- 
klima sehr; Frauenkrankheiten, Fehlgeburten, große 
Kindersterblichkeit und ein unbefriedigtes Familien= 
leben sind die Folge. Das ist aber auch die 
Ursache dafür, daß viele Männer die gesunden 
eingeborenen Frauen bevorzugen, um dem Elend 
einer dahinsiechenden, wenn auch rassereinen 
Familie zu entgehen. Körperlich sollen die in 
den Tropen heranwachsenden Kinder von Euro- 
päern in den ersten Lebensjahren rascher wachsen 
und früher die Pubertät erreichen, dann aber 
lleiner, zierlicher und schwächer bleiben als ihre 
eingewanderten Eltern; besonders auffallend ist, 
wo mir Nocht aus Hamburg nach verschiedenen 
Beobachtern mitteilt, daß sie kleinere Füße und 
Hände haben. 
Aus alledem geht hervor, daß die europäische 
Rasse im tropischen Klima sowohl körperlich als 
geistig in den späteren Generationen sich ver- 
schlechtert. Selbst Professor Stokvis, dessen An- 
sichten bezüglich Akklimatisation in den Tropen 
allgemein in der Literatur als optimistisch be- 
zeichnet werden, kommt in seinem beim X inter- 
nationalen medizinischen Kongreß gehaltenen 
Referat zu folgenden Sätzen: 
„Daß lebenskräftige, gesunde, erwachsene Europäer 
beiderlei Geschlechts unter Innehaltung aller hygie- 
nischen Maßregeln vollkommen astlimatifationsfähig 
sind, bildet für mich keinen Zweifel. Daß sie dabei 
durch einen längeren Aufenthalt in tropischen Regionen 
einen nicht unbedentenden Teil ihrer größeren Resistengz 
in Gefahr bringen und diesen einbüßen können, wenn 
sie sich vollständig fndigenisiert. haben, steht bei mir 
nicht weniger fest. die in den Tropen gezeugten 
neuen Geschlechter rs europäischen Bluts, indem 
sie der üppigen schlaffen Lebensweise sich mehr und 
mehr anpassen, und der herrlichen stärkenden Reize 
entbehren, welche in den gemäßigten Zonen so viel- 
  
fachen Segen bringen, daß die europäischen Kreolen 
mehr und mehr dem echten Europäer sowohl somatisch 
als psychisch zurückstehen müssen, das scheint mir auch 
in hohem Maße wahrscheinlich.“ 
Nach meiner Ansicht ist es falsch, bei solchen 
Schlußfolgerungen von einer „vollkommenen Akkli- 
matisation“ zu sprechen. 
Was nun unsere deutschen Kolonien be- 
trifft, so herrscht in unseren tropischen afrika- 
nischen Kolonien im Bereiche der Zone des 
Küstenklimas überall noch so viel Malaria, daß die 
Anfiedlung von Europäern ausgeschlossen und auch 
nirgends ernstlich versucht worden ist. Dagegen 
besitzen wir in der Südsee vollkommen malaria- 
freie Inseln von ausgesprochenem Tropenklima. 
Auf dem größten dieser fieberfreien Schutzgebiete, 
auf Samoa, hat sich schon eine Anzahl Euro- 
päer niedergelassen; sie sind insofern besonders 
schlecht daran, daß ihnen wegen der großen Ent- 
fernung von der Heimat und wegen der mit der 
Heimreise verbundenen hohen Kosten eine zeit- 
weilige Erholung in der Heimat in der Regel 
nicht möglich ist. Sie find daher dauernd dem 
Tropenklima ausgesetzt und, wie mir der Gou- 
verneur mitgeteilt hat, macht sich dies auch schon 
in zunehmender Erschlaffung und nervöser Reiz- 
barkeit bei sehr vielen von ihnen bemerkbar. Dies 
ist der Boden, auf dem die deutsche National- 
tugend, die Uneinigkeit und Streitsucht besonders 
üppig gedeiht. 
Auf Samoa ist die Entstehung einer Misch- 
rasse deshalb besonders erleichtert, weil die dor- 
tigen Eingeborenen äußerlich nach unseren Schön- 
heitsbegriffen uns ziemlich nahe stehen. Es dürfte 
in Samoga unter diesen Umständen kaum möglich 
sein, die Entstehung einer Mischrasse, welche so 
oft mit der Degeneration der eingewanderten 
Hand in Hand geht, zu verhindern. Der Anfang 
einer Mischrasse ist auch schon gemacht. 
Da wir also im tropischen Niederungsklima 
auf eine absolute Akklimatisation nicht rechnen 
können, müssen wir mit der relativen aus- 
zukommen suchen. Wir müssen nach Möglichkeit 
begünstigen, daß die Deutschen, die in ein Tropen- 
küstenland ausziehen, nicht zur dauernden Nieder- 
lassung sich einrichten, sondern nach einem an- 
gemessenen, nicht zu langen Zeitraum immer 
wieder in die Heimat zurückkehren, um sich wieder 
gründlich zu erholen. 
Ganz anders als das feuchtwarme Küsten- 
klima ist das tropische Höhenklima. Ich selbst 
habe dies einmal empfunden, als ich nach 1½jäh- 
rigem Aufenthalt an der ostafrikanischen Kaste 
während eines kurzen Urlaubs das Usambara= 
Gebirge besuchte. Schon nach wenigen Tagen 
fühlte ich mich vollkommen erholt. Man hat 
da den Hochgenuß, in der Nacht zu frieren, nicht
	        
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