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hindert außerdem den allzu raschen Abfluß des
Wassers und wirkt sonach ausgleichend auf die
Extreme des Wasserstandes, indem er die mecha-
nische Gewalt der Platzregen durch seinen Kronen-
raum bricht und die Wasseraufnahme durch seine
Bodenzusammensetzung erleichtert, Folgen, welche
naturgemäß in Gebieten mit ausgesprochenen
Trocken= und Regenperioden an Bedeutung ge-
winnen. Soweit ich bislang Gelegenheit hatte
zur Beobachtung, ist die oberste Bodendecke in
tropischen Waldungen eine dünne Streulage mit
einer geringen darunter liegenden Humusschicht,
also eine Bodenzusammensetzung, welche für die
Wasseraufnahme als sehr günstig zu bezeichnen
it. Ein weiterer Umstand, der in tropischen Ge-
bieten die Durchfeuchtung von Steppenböden viel
ungünstiger gestalten muß, als die von Wald-
böden, ist das infolge der Trockenheit der obersten
Bodenlagen erschwerte Eindringen des Regen-
wassers in den Boden. Infolgedessen verliert
der ausgetrocknete Steppenboden durch Ver-
dunstung viel mehr von dem gefallenen Regen
als der stets feuchtere und daher das Wasser
leichter aufnehmende Waldboden; denn die Wasser-
verdunstung des Bodens vermindert sich, je tieser
die verdunstende Schicht liegt. Als Mitte April
die Regenzeit einsetzte, konnte ich beobachten, daß
besonders bei den ersten Regenfällen das Wasser
noch mehrere Stunden nach dem Aufhören des
Regens auf dem trockenen Steppenboden in großen
Lachen lag, trotzdem der Boden von sandiger Be-
schaffenheit und somit für Wasser sehr durchlässig
war. Dieses schwere Eindringen des Wassers
führe ich auf die enorme Austrocknung des
Steppenbodens während der Trockenzeit zurück.
Bon den längere Zeit dem Boden aufliegenden
Wasserlachen wird nun ein großer Teil des
Wassers gar nicht in den Boden gelangen, son-
dern schon vorher verdunsten, bevor nur der
Boden wasseraufnahmefähig wird. Aus diesem
Grunde werden namentlich in der Trockenzeit
vereinzelt fallende Regen dem Steppenboden
bur weniger Feuchtigkeit zuführen, als dem Wald-
en.
Eine Reihe von Faltoren bewirkt also, daß
das Quellgebiet eines Flusses, wenn es mit Wald
bestockt ist, in viel größerem und vor allem auch
zu viel nachhaltigerem Maße Wasser erhält, als
enn es mit Baumsteppe oder irgend einer
andern Vegetationsform bedeckt ist. Umfang-
eiche Entholzungen auf Flußgebieten werden
aus den oben angeführten Gründen einerseits zu
Gewisen Zeiten Mangel an Wasser, anderseits
* auch extrem hohe Wasserstände zur Folge
dben Das Flußgebiet des Haho liefert hierfür
8 n deutlichsten Beweis. Begreiflicherweise werden
ie Wirkungen des Waldes als Erhalter der
Feuchtigkeit und der Quellen besonders hoch sein
in den Gebirgen, welche aus verschiedenen
Gründen meistens höhere Niederschläge haben
und welche durch ihre Abhänge und Gräben
gewissermaßen natürliche Wasserfang-Apparate
darstellen. Nach Aussage der Eingeborenen soll
beispielsweise der Fluß Agbango das ganze Jahr
reichlich Wasser führen, der Dine hingegen nicht.
Wenn diese Mitteilung der Eingeborenen sich
bestätigt, so würde sie ihre Erklärung darin finden,
daß die beiden Flüsse, obwohl sie hinsichtlich
ihrer Lage ein gleichgünstiges Quellgebiet haben,
doch ungleiche Vegetationsverhältnisse aufweisen.
Der Agbango entspringt einem reicher bewaldeten
Gebiet. Der Gebirgswald gewinnt aber außer-
dem noch an Bedeutung dadurch, daß er die
Geschwindigkeit und die mechanische Gewalt des
abfließenden Wassers mäßigt und mittels seines
dichten Wurzelnetzes das lose Erdreich und die
verwitternden Gesteinsmassen bindet. Entwal-
dungen im Gebirge bergen daher stets eine große
Gefährdung der angrenzenden Täler in sich. Die
Notwendigkeit der Erhaltung der Gebirgswälder
erhellt aus den großen Anstrengungen und dem
Kostenaufwande von Hunderten von Millionen,
welche einzelne Staaten Europas machen müssen,
um die enormen Nachteile der planlosen Ent-
waldung von der gefährdeten Einwohnerschaft
ganzer Provinzen abzuwenden.
Ich habe an die Schilderung der während
dieser Reise angetroffenen Vegetationsverhältnisse
die kurze Abhandlung über die Einwirkung des
Waldes auf Klima und den Kreislauf des
Wassers und die Erörterungen über die Folgen
von ausgedehnten Entwaldungen deshalb ge-
knüpft, um zu zeigen, daß in diesem Gebiete
die Ausdehnung der Waldverwüstung nicht bloß
ihre äußerste Grenze erreicht hat, sondern diese
Grenze bereits weit überschritten hat. In den
von mir bisher bereisten Gebieten des südlichen
Togo ist der Prozentsatz der Bewaldung ganz
abnorm ungünstig; ich schätze die Bewal-
dungsziffer auf ein Prozent. Beispielsweise
beträgt die Bewaldungsziffer von der Gesamt-
landesfläche des Deutschen Reiches 25,7, Oster-
reichs 32,5 Proz. Wenn aber die Vernichtung
der Wälder eines Landes Veränderungen in dem
physischen Zustande derselben nach sich ziehen, die
eine nachteilige Wirkung für die Gesamtheit der
Bewohner haben, so rechtfertigt dies ein Ein-
greifen der Staatsgewalt, um die Erhaltung der
Wälder da zu sichern, wo dieselbe aus den er-
örterten Gründen unbedingt geboten ist. Und
tatsächlich zeigt auch die Rechtsgeschichte fast aller
Kulturstaaten ein Eingreifen der staatlichen Obrig-
keit zum Schutze der Wälder vor maßloser Zer-
störung.