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Wenn man jedoch berücksichtigt, daß nach Art. 78 auch Erweite-
rungen der Gesetzeskompetenz „innerhalb der Kompetenz des
Reiches“ liegen, so fallen die Einwendungen gegen die Initiative
des Reichstages ohne weiteres in sich zusammen 22).
5. Das Recht auf Teilnahme im Reichstag.
Nach Art. 9 d. RW. kann jedes Mitglied des Bundesrates
auch bei den Sitzungen des Reichstages erscheinen und die An-
sichten seiner Regierung vertreten, und zwar selbst dann, wenn
diese von der Majorität des Bundesrates nicht angenommen
worden sind. Diese Bestimmung ist auf dem Gebiet parlamen-
tarischer Geschäftsbehandlung einzig in ihrer Art. Die Aus-
übung eines derartigen Rechtes z. B. durch einen Minister,
der etwa im Ministerrat überstimmt worden ist und trotzdem in
der Ständeversammlung seine Meinung verteidigte und die Ver-
sammlung zum Beitritt aufforderte, würde ohne weiteres dessen
Entlassung zur Folge haben. Nach der Ansicht v. Mohls ist
jedoch die Bestimmung des Art. 9, durch den das Recht der
Bundesratsmitglieder, in den Reichstagssitzungen die Ansichten
ihrer Regierungen selbst gegen den Majoritätsbeschluß des
Bundesrats zu vertreten, ausgesprochen wird, nicht von allzu
großer praktischer Bedeutung 23). A. E. muß man dieser An-
sicht unbedingt beipflichten. In der Tat ist auch mit Rücksicht
auf die unausbleiblichen, nachteiligen Folgen von diesem Rechte
seitens eines Bundesratsmitgliedes wenig oder gar nicht Ge-
brauch gemacht worden.
6. Die Bildung von Ausschüssen.
Der Bundesrat erledigt seine Arbeiten entweder im Dle-
num oder durch Ausschüsse. Die Tätigkeit dieser Ausschüsse be-
22) Vgl. hierzu die Darstellungen bei Laband, Staatsrecht, Bd. II
S. 25; Meyer, a. a. O. S. 415 Note 9; v. Mohl, a. a. O. S. 334 und
Thudichum, a. a. O. S. 215.
23) Vgl. die eingehende Erörterung bei v. Mohl, a. a. O. S. 248ff.
und auch die entgegenstehende Ansicht a. a. O. S. 251 Note 1.