Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

13 Grad zur Mittagszeit, während es zweimal 
nachts auf den Gefrierpunkt sank, so daß am 
frühen Morgen die weißen, stark bereiften Wiesen 
die Vision einer deutschen Herbstlandschaft herauf- 
beschworen und die Mitglieder der Expedition 
des Abends in der aus Bambus schnell gebauten 
Messe-Banda mit ihren dicken Mänteln und 
Decken und hochgeschlagenen Kragen beim Glase 
Grog eher den Eindruck einer Nordpol= als den 
einer afrikanischen Reisegesellschaft machten. 
Die Wälder bestehen hier vorwiegend aus 
Bambus, die bis 17 m Höhe erreichen und bis 
in Höhenlagen von etwa 3400 m hinaufgehen, 
während sie in den tieferen Lagen teilweise pracht- 
vollen Laubwaldbeständen (vorwiegend Chungn, 
Musebeya und Mubalebale der Waruanda) Platz 
machen, deren Aste und Kronen entweder durch 
Lianen mit der Erde verbunden sind oder die 
bis 70 m Höhe, mit astfreien Stämmen bis oben 
hinauf, frei emporragen. Ein solcher Laubwald- 
gürtel findet sich am Sabyino und Mgahinga 
auch auf 3000 m Höhe. Die mit diesen Baum- 
arten bestandenen Schluchten sind die Schlupf- 
winkel, in denen das seltene und begehrte Wild 
des Gorilla haust. Leutnant v. Wiese gelang 
es als erstem Europäer, den Sabyino zu be- 
steigen. 
Von hier ging es in das Gebiet der inter- 
essanten Batwa-Leute, in den Bugoie-Urwald. 
Wir marschierten südlich am Mkungo entlang, 
der nach Auffassung einiger Missionare das 
eigentliche caput Nili ist, bis zu dessen Nebenflusse 
Mtasche, dessen Lauf wir nach Südwest folgten, 
und vereinigten uns nach einigen recht an- 
strengenden Märschen über die steilen Höhen des 
noch völlig unbekannten Gebietes des nördlichen 
Tschingogo am Muhembe-Bach mit dem Pere 
supérieur der Missionsstation Nyundo, um noch 
am selben Tage den Urwaldrand bei Lukolati 
zu erreichen, einem Bergrücken, wo gelagert wurde. 
Während bei dem ersten Besuch des Dr. v. Raven 
und des Pere supérieur Barthélemy die Batwa 
sich außerordentlich mißtrauisch und scheu gezeigt 
hatten, wurden sie diesmal vertranter. Einer 
der mißtrauischsten war der Batwa-Häuptling 
Gunsu, aber mit gutem Grunde. Gerabe vor 
wenigen Tagen war ihm wieder einmal ein 
schöner Karawanenüberfall geglückt, und so witterte 
er Verrat. Kein Rufen half, er blieb unsichtbar, 
und selbst die schönsten Versprechungen lockten ihn 
nicht aus seinen Schlupfwinkeln heraus. Er 
schickte aber seinen Sohn, um die Stimmung der 
Europäer zu ergründen. 
Die Batwa sind ein Volk vorwiegend kleinerer 
Leute, doch können sie niemals zu den Zwerg- 
völkern gerechnet werden. Unsere Messungen 
bewegten sich zwischen 142 und 172 cm Körper- 
  
120 20 
länge, die meisten zwischen 150 und 160 em. 
Sie leben nur vom Diebstahl und von der Jagd, 
die sie meisterhaft ausüben. Sie verstehen es in 
bewundernswerter Weise, zu gewissen Zeiten sich 
katzenartig und unter Vermeidung jeden Geräusches 
durch den dichten Busch an den Büffel heranzu- 
schleichen und dem Ahnungslosen die breite Lanze 
in den Leib zu stoßen, um im selben Momente, 
wie vom Erdboden verschlungen, zu verschwinden. 
Persönlicher Mut ist nicht ihre starke Seite. 
Außerdem sind sie unzuverlässig und faul. Von 
den Wahutu sind sie außerordentlich gefürchtet; 
niemand würde es wagen, ohne „Bedeckung“ 
den Wald zu passieren. Denn mit derselben Ge- 
wandtheit wie auf der Jagd schleichen sie sich 
völlig geräuschlos und unsichtbar an die Kara- 
wane heran, die dann buMchstäblich bis auf den 
letzten Zeuglappen ausgeplündert wird. Nur wer 
mit dem Häuptling Blutsbrüderschaft getrunken 
hat, ist gefeit. Er wird dann häflich bis zum 
sofort verständigten Nachbarhäuptling geführt, mit 
dem ihn dieses Band nicht verknüpft, um dann 
— diesem in die Hände zu fallen. Gerade Gunsu 
genießt bei den Batwa hierin einen außerordent- 
lichen Ruf, da er es verstehen soll, besonders fein 
und künstlerisch in dieser Branche zu arbeiten. 
Wir lagerten vierzehn Tage im Walde, während 
welcher uns die Batwa, die ständig im Lager 
wohnten, jedoch von unseren Leuten ängstlich ge- 
trennt schliefen und ihre Mahlzeiten einnahmen, 
vorzügliche Dienste leisteten. Erlegt wurde ein 
Elefant, und obgleich wir zehnmal etwa bis auf 
einige Meter an die Büffelherden heranschleichen 
konnten, wurde doch nur ein Exemplar erlegt. 
Die Jagd in diesem Walde ist im höchsten Grade 
anstrengend, und das Buschwerk unter dem 
Bambus so dicht, daß auf wenige Schritte kein 
Haar des Wildes zu sehen ist. Das vorsichtige 
Vorhalten der Lanze von seiten der Batwa zeigt 
die Nähe des Rudels an, und gleich darauf gibt 
das donnerartige Brechen des flüchtig werdenden 
Wildes um den Jäger herum die Bestätigung. 
Der Wald ist außer einigen ganz vereinzelten 
„Wegen“ nur auf Elefantenpfaden zu kreuzen, 
was bei fortwährendem Hängenbleiben der Füße 
in Schlinggewächsen, Kriechen durch Büsche und 
Wurzeln usw., über Berge, deren höchste Kuppe 
3000 m beträgt, nicht jedermanns Sache ist. Der 
erlegte Büffel zeigte die westliche Form mit zurück- 
liegendem Gehörn, Decke schmutzig braun, dem 
Rotbüffel ähnlich, wie überhaupt der Graben als 
Scheide zwischen östlicher und westlicher Fauna 
zu bezeichnen ist. 
Für alle Mühen wurde ich aber entschädigt 
durch Erlegung des ersten hier von einem 
Europäer beobachteten Gorilla, dem am nächsten 
Morgen noch zwei weitere des Paters folgten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.