13 Grad zur Mittagszeit, während es zweimal
nachts auf den Gefrierpunkt sank, so daß am
frühen Morgen die weißen, stark bereiften Wiesen
die Vision einer deutschen Herbstlandschaft herauf-
beschworen und die Mitglieder der Expedition
des Abends in der aus Bambus schnell gebauten
Messe-Banda mit ihren dicken Mänteln und
Decken und hochgeschlagenen Kragen beim Glase
Grog eher den Eindruck einer Nordpol= als den
einer afrikanischen Reisegesellschaft machten.
Die Wälder bestehen hier vorwiegend aus
Bambus, die bis 17 m Höhe erreichen und bis
in Höhenlagen von etwa 3400 m hinaufgehen,
während sie in den tieferen Lagen teilweise pracht-
vollen Laubwaldbeständen (vorwiegend Chungn,
Musebeya und Mubalebale der Waruanda) Platz
machen, deren Aste und Kronen entweder durch
Lianen mit der Erde verbunden sind oder die
bis 70 m Höhe, mit astfreien Stämmen bis oben
hinauf, frei emporragen. Ein solcher Laubwald-
gürtel findet sich am Sabyino und Mgahinga
auch auf 3000 m Höhe. Die mit diesen Baum-
arten bestandenen Schluchten sind die Schlupf-
winkel, in denen das seltene und begehrte Wild
des Gorilla haust. Leutnant v. Wiese gelang
es als erstem Europäer, den Sabyino zu be-
steigen.
Von hier ging es in das Gebiet der inter-
essanten Batwa-Leute, in den Bugoie-Urwald.
Wir marschierten südlich am Mkungo entlang,
der nach Auffassung einiger Missionare das
eigentliche caput Nili ist, bis zu dessen Nebenflusse
Mtasche, dessen Lauf wir nach Südwest folgten,
und vereinigten uns nach einigen recht an-
strengenden Märschen über die steilen Höhen des
noch völlig unbekannten Gebietes des nördlichen
Tschingogo am Muhembe-Bach mit dem Pere
supérieur der Missionsstation Nyundo, um noch
am selben Tage den Urwaldrand bei Lukolati
zu erreichen, einem Bergrücken, wo gelagert wurde.
Während bei dem ersten Besuch des Dr. v. Raven
und des Pere supérieur Barthélemy die Batwa
sich außerordentlich mißtrauisch und scheu gezeigt
hatten, wurden sie diesmal vertranter. Einer
der mißtrauischsten war der Batwa-Häuptling
Gunsu, aber mit gutem Grunde. Gerabe vor
wenigen Tagen war ihm wieder einmal ein
schöner Karawanenüberfall geglückt, und so witterte
er Verrat. Kein Rufen half, er blieb unsichtbar,
und selbst die schönsten Versprechungen lockten ihn
nicht aus seinen Schlupfwinkeln heraus. Er
schickte aber seinen Sohn, um die Stimmung der
Europäer zu ergründen.
Die Batwa sind ein Volk vorwiegend kleinerer
Leute, doch können sie niemals zu den Zwerg-
völkern gerechnet werden. Unsere Messungen
bewegten sich zwischen 142 und 172 cm Körper-
120 20
länge, die meisten zwischen 150 und 160 em.
Sie leben nur vom Diebstahl und von der Jagd,
die sie meisterhaft ausüben. Sie verstehen es in
bewundernswerter Weise, zu gewissen Zeiten sich
katzenartig und unter Vermeidung jeden Geräusches
durch den dichten Busch an den Büffel heranzu-
schleichen und dem Ahnungslosen die breite Lanze
in den Leib zu stoßen, um im selben Momente,
wie vom Erdboden verschlungen, zu verschwinden.
Persönlicher Mut ist nicht ihre starke Seite.
Außerdem sind sie unzuverlässig und faul. Von
den Wahutu sind sie außerordentlich gefürchtet;
niemand würde es wagen, ohne „Bedeckung“
den Wald zu passieren. Denn mit derselben Ge-
wandtheit wie auf der Jagd schleichen sie sich
völlig geräuschlos und unsichtbar an die Kara-
wane heran, die dann buMchstäblich bis auf den
letzten Zeuglappen ausgeplündert wird. Nur wer
mit dem Häuptling Blutsbrüderschaft getrunken
hat, ist gefeit. Er wird dann häflich bis zum
sofort verständigten Nachbarhäuptling geführt, mit
dem ihn dieses Band nicht verknüpft, um dann
— diesem in die Hände zu fallen. Gerade Gunsu
genießt bei den Batwa hierin einen außerordent-
lichen Ruf, da er es verstehen soll, besonders fein
und künstlerisch in dieser Branche zu arbeiten.
Wir lagerten vierzehn Tage im Walde, während
welcher uns die Batwa, die ständig im Lager
wohnten, jedoch von unseren Leuten ängstlich ge-
trennt schliefen und ihre Mahlzeiten einnahmen,
vorzügliche Dienste leisteten. Erlegt wurde ein
Elefant, und obgleich wir zehnmal etwa bis auf
einige Meter an die Büffelherden heranschleichen
konnten, wurde doch nur ein Exemplar erlegt.
Die Jagd in diesem Walde ist im höchsten Grade
anstrengend, und das Buschwerk unter dem
Bambus so dicht, daß auf wenige Schritte kein
Haar des Wildes zu sehen ist. Das vorsichtige
Vorhalten der Lanze von seiten der Batwa zeigt
die Nähe des Rudels an, und gleich darauf gibt
das donnerartige Brechen des flüchtig werdenden
Wildes um den Jäger herum die Bestätigung.
Der Wald ist außer einigen ganz vereinzelten
„Wegen“ nur auf Elefantenpfaden zu kreuzen,
was bei fortwährendem Hängenbleiben der Füße
in Schlinggewächsen, Kriechen durch Büsche und
Wurzeln usw., über Berge, deren höchste Kuppe
3000 m beträgt, nicht jedermanns Sache ist. Der
erlegte Büffel zeigte die westliche Form mit zurück-
liegendem Gehörn, Decke schmutzig braun, dem
Rotbüffel ähnlich, wie überhaupt der Graben als
Scheide zwischen östlicher und westlicher Fauna
zu bezeichnen ist.
Für alle Mühen wurde ich aber entschädigt
durch Erlegung des ersten hier von einem
Europäer beobachteten Gorilla, dem am nächsten
Morgen noch zwei weitere des Paters folgten.