Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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ihrem Gusto führen, in die Plantagen zu bringen. 
(Sehr richtigl) Deswegen kann, wenn diese 
Dinge nicht geändert werden, die Regierung mit 
dem besten Willen nicht dafür einstehen, daß die 
Plantagen Arbeiter bekommen. Das ist ganz 
ausgeschlossen. 
Die Geldstrafe — das ist ein Vorwurf, den 
ich der Verwaltung in gewissem Umfange mache 
— wird nicht beliebt. Ich habe bereits oben 
gesagt, daß die Prügelstrafe als solche nicht ent- 
behrlich ist. Ich kann auch hinzufügen, daß — 
besonders auf Grund einiger Verordnungen, zu 
denen ich mich bekenne — darauf gesehen wird, 
daß die Prügelstrafe in ordentlicher Weise voll- 
zogen wird. Ich bin dabei gewesen und habe 
es mir angesehen. Es ist natürlich unange- 
nehm. Ich habe es mir aber sehr viel ekelhafter 
vorgestellt. 
In dieser Rechtslage liegt eine Hauptschwierig- 
keit für das Verhältnis zwischen den Schwarzen 
und den Weißen. Eine weitere liegt in der 
Auffassung vieler Weißen über ihre Stellung den 
Schwarzen gegenüber. Die Argumentation ist 
diese: Deutschland kolonisiert, es soll die Schwarzen 
entwickeln. Dazu gehört Erziehung zum Fleiß 
und zu wirtschaftlicher Tätigkeit. Wir sind — 
und da kommt der Trugschluß, dem man leider 
öfters begegnet — die Deutschen, die Erzieher, 
wir erziehen. Die Entwicklung des Landes und 
der Eingeborenen ist aber die Aufgabe der Re- 
gierung im Interesse der zu Entwickelnden und 
der Gesamtinteressen des Schutzgebiets. Dies ist 
die Hauptquelle der Konflikte. Ich behaupte, daß 
dadurch das Ansehen des Weißen sehr geschädigt 
wird. Ich weise auf die englischen Kolonien hin, 
wo das Ansehen des Weißen ganz gewiß nicht 
untergraben ist und wo diese bei uns in Afrika 
eingeführte Praxis nicht existiert. Ich habe zur 
vollen Information der Kommission die englischen 
Arbeiterverordnungen im „Deutschen Kolonial= 
blatt“ abdrucken lassen. Ich habe einige Exem- 
plare hier und werde nachher den Zustand, wie 
er heute in Ostafrika ist, den Zustand, wie ihn 
die Pflanzer in Ostafrika haben wollen, mit dem 
Zustande vergleichen, wie er unmittelbar über der 
Grenze herrscht. Da werden Sie sehen, daß es 
unmöglich ist, bei unserer bisherigen Praxis zu 
verharren und daß man die Pflicht hat, sie zu 
ändern. 
Es ist also beabsichtigt, einen Eingeborenen- 
kommissar mit der Durchführung entsprechender 
Maßnahmen dort zu betrauen, wo eine größere 
Anzahl Schwarzer im Dienst der Weißen tätig 
ist. Die Hauptaufgabe der Kommissare soll die 
Wahrnehmung der Interessen der Schwarzen 
gegen die Weißen auch vor Gericht ex oklicio 
sein. Darauf lege ich Wert, daß die Beschwerden 
  
der Schwarzen, falls sie der Kommissar für be- 
gründet erachtet, ohne Kostenvorschuß aufgenommen 
werden müssen. 
Ebenso ist zu überlegen die Einschränkung 
des Züchtigungsrechts des Karawanenführers wie 
des Plantagenleiters; ebenso notwendig wird es 
sein, mehr Geldstrafen zu verhängen. Vor allem 
wird es notwendig sein, daß die weißen Gerichte 
gegen Weiße, die sich Grausamkeiten haben zu- 
schulden kommen lassen, ebenso unnachsichtlich 
vorgehen, wie es gerechtfertigt ist, daß gegen 
Schwarze darin unnachsichtlich vorgegangen wird. 
Ich mache den weißen Gerichten keinen Vorwurf, 
aber die Empfindung, was recht und was unrecht 
ist, ist bei den Schwarzen vielleicht die einzig 
ausgebildete moralische Empfindung. 
M. H.! Den moralischen Wert des Schwarzen 
kann man sehr schwer schätzen. Er ist wahr- 
scheinlich sehr gering und die Evolution auf 
kulturellem Gebiete ist sehr schwierig und lang- 
sam. Man kann sich dabei ungefähr auf die 
Vereinigten Staaten von Amerika beziehen, wo 
heute 9 oder 10 Millionen Neger leben, die sehr 
lange unter der Kultur gestanden haben und die 
seit über 40 Jahren Vollbürger eines Landes 
sind, das sich der größten staatlichen Freiheit 
rühmt. Es ist nicht viel daraus geworden; aber 
daß der Neger eine Empfindung für Schuld und 
Strafe und daß er eine Neigung für Reichtum 
und Wohlleben und Erwerb hat, darüber ist gar 
kein Zweifel. Der Neger ist sehr geneigt, sich 
gegen Verordnungen zu vergehen, wie alle Natur- 
völker, die natürlich mit allen Mitteln arbeiten, 
weil sie nicht mit den entsprechenden Rechts- 
garantien umgeben sind. In Deutschland ist 
es dasselbe: wo jemand glaubt, daß er keinen 
Rechtsschutz findet, greift er zur Selbsthilfe. Der 
Schwarze erwartet dann Strafe, er wünscht aber 
die gleiche Strafe gegenüber allen angewendet 
zu sehen. " 
Die Situation der Behörde gegenüber der 
schwarzen Bevölkerung des Landes ist durch die 
von weißen Ansiedlern und Pflanzern immer an 
die Regierung gestellten Forderungen und durch 
die Arbeiterfrage in den Plantagen ganz be- 
sonders erschwert. Wir haben Plantagen in 
Usambara, im Bagamojo-Bezirk und an der 
Südküste. Aber in diesen Landstrichen ist nicht 
genügend Bevölkerung vorhanden, um für den 
intensiven Betrieb einer Plantage die notwendigen 
Arbeiter liefern zu können. Manche Negerstämme 
sind dafür dauernd nicht zu gebrauchen. Ich er- 
innere an das Bergvolk im Ulugurugebirge, die 
Wakua, die man als Arbeiter nicht gewinnen 
kann und die einer Aufsaugung oder einer Ver- 
mischung entgegengehen. Besonders geschätzt sind 
nun die Wanyamwesi. Aber sie sind nicht geneigt,
	        
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