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sidium des Bundes bei allen Gesetzesvorschlägen ein Veto—
Recht zustände 11).
Von wie großer Bedeutung das Mitwirkungsrecht an der
Gesetzgebung für die Einzelstaaten ist, zeigt sich vor allem, wie
schon früher erwähnt, in dem Recht des Bundesrates auf Be—
schlußfassung über die vom Reichstag gefaßten Beschlüsse.
Anträge auf Erlaß eines Gesetzes können sowohl vom Reichs-
tag wie vom Bundesrat ausgehen. Gehen sie vom Reichstag
aus, so erfolgt die Abermittlung durch den Präsidenten des
Reichstages an den Reichskanzler, der sie dem Bundesrat zur
Beratung vorlegt. Nimmt der Bundesrat den vom Keichstag
vorgelegten Entwurf an, so ist damit der Gesetzesinhalt fest-
gestellt, der dann durch die Sanktion des Bundesrates zum
Gesetz erhoben wird. Geht der Antrag vom Bundesrat aus,
so wird er durch den Reichskanzler, der damit aber keine Ver-
antwortung für den Inhalt der betreffenden Vorlage über-
nimmt, dem Reichstag mitgeteilt, der die Annahme oder Ab-
lehnung beschließen kann. Entscheidet sich der Reichstag für
das letztere, so ist mangels der erforderlichen vollständigen #ber-
einstimmung zwischen den beiden gesetzgebenden Faktoren 12) ein
Gesetz nicht zustande gekommen. Aber selbst wenn der Reichs-
tag die Gesetzesvorlage vom Bundesrat ohne jede Anderung
angenommen hat, ist den verfassungsmäßigen Bestimmungen
über das Zustandekommen der Reichsgesetze noch nicht genügt.
Eine derartige Vorlage ist einer nochmaligen letzten Beschluß-
fassung des Bundesrates unterworfen 13). Schulze 14) ist
der Ansicht, daß der Kaiser nicht berechtigt sei, ohne diesen
letzten Beschluß des Bundesrates ein Gesetz auszufertigen und
zu verkünden, selbst dann nicht, wenn ein übereinstimmender
Beschluß beider Körperschaften vorliege. And dies mit Recht;
11) Vgl. darüber Laband, Staatsrecht, Bd. II S. 31.
12) Art. 5 d. RV.
13) Art. 7 Ziff. 1 d. RV.
14) A. a. O. Bd. II S. 118.