Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Bei der in den nächsten Tagen vorgenommenen 
Vermessung erwies sich der nach Angabe der Ein- 
geborenen zum erstenmal von einem Dampsschiff 
besuchte Hafen als ein annähernd rundes, gegen 
alle Winde geschütztes Becken, das allerdings nur 
für ein größeres Schiff Raum bietet, aber trotz- 
dem an der hafenarmen Ostküste von Neumecklen- 
burg von Wichtigkeit werden dürfte. Wie in allen 
solchen Fällen wurde die neue Karte sogleich durch 
Pausen vervielfältigt und den an der Schiffahrt 
beteiligten Kreisen zugänglich gemacht. 
Als wir das Land betraten, kamen uns einige 
der vom Gouvernement eingesetzten Häuptlinge 
entgegen, um uns zu begrüßen. Der Gouverneur 
hatte den Stationschef von Namatanai von der 
Ankunft der Expedition in Kenntnis gesetzt, und 
dieser hatte alle seine Häuptlinge bis hinunter 
nach Kap St. Georg durch Boten von unserem 
Kommen benachrichtigt. Am 4. Dezember kam 
der Gouverneur mit dem „Seestern“ selbst nach 
Muliama und setzte den Häuptlingen nochmals 
Zweck und Absichten der Expedition auseinander. 
„Planet“ schiffte das Gepäck der Expedition aus 
und war beim Ban des Lagers so lange behilflich, 
bis die Expedition mit den Eingeborenen allein 
die Arbeiten fortsetzen konnte. Am 6. Dezember 
verließ er den Hafen und dampfte nach Matupi 
zurück. 
Das Lager besteht aus einigen Hütten am 
Strande, die vor einigen Jahren von zwei Chi- 
nesen erbaut worden sind. Beide Besitzer starben 
ohne Erben, ihr Besitz siel an das Gouvernement 
zurück. Auf einer Korallenstufe von etwa 15 Metern 
Höhe stehen die drei Zelte, und noch etwas höher 
sind aus Eingeborenenmaterial einige weitere 
Häuser errichtet. Das Ganze liegt in einer Kokos- 
pflanzung, grenzt im Osten an ein Dorf, im Süden 
und Westen an hohen Urwald und im Norden 
an das offene Meer, das in schweren Brandungs- 
wellen seine Kraft an dem vorgelagerten Riff 
bricht. Das Wasser wird von einem kühlen Gebirgs- 
bach geliefert, der über viele Korallenterrassen 
herabstürzt und unmittelbar an der See einen 
Wasserfall bildet. Marine-Stabsarzt Dr. Stephan, 
Dr. Schlaginhaufen und der Photograph Schil- 
ling bilden die weiße, der chinesische Koch, neun 
Polizeisoldaten und elf Arbeiter die farbige Be- 
satzung. 
Die Lage des Ortes muß als sehr günstig 
bezeichnet werden. Das Arbeitsgebiet wird sich 
an der Küste südlich bis Likkilikki (etwa 120 km) 
und nördlich bis Namatanai (gegen 100 km) 
erstrecken. Außerdem wird es möglich sein, ins 
Gebirge vorzudringen, wahrscheinlich sogar die 
Insel an ihrem breitesten Teil zu durchaueren 
und endlich die Inseln Janirr (St. John), Tanga 
(Caan-Insel) und vielleicht auch Lihirr (Gerrit 
  
Denys) zu besuchen, die alle drei in Sichtweite 
von Muliama liegen. Obwohl ferner das Gebiet 
erst seit etwa zwei Jahren beruhigt ist, bietet es 
heute schon genügende Sicherheit, um eingehende 
ethnographische Forschungen zu ermöglichen; ander- 
seits ist es noch so unberührt, daß die Sitten und 
Gebräuche des Volkes in ihrer ganzen Ursprüng- 
lichkeit studiert werden können. Besonders inter- 
essant dürfte die Erforschung zweier Geheimbünde, 
des Dudduk und des Iniet, werden, deren Vor- 
handensein schon festgestellt werden konnte. Ebenso 
ließ sich bereits eine weitgehende Verwandtschaft 
der Bewohner der Landschaft Muliama mit den 
Leuten der Westküste von Neumecklenburg nach- 
weisen, die von dem Leiter der Expedition vor 
drei Jahren erforscht worden sind. 
Eine Reise nach den Karolinen und Marschallinseln.“) 
Am 12. September 1907 ging der Regie- 
rungsdampfer „Seestern“ von Herbertshöhe in 
See. Das erste Ziel war die bisher nur wenig 
bekannte Tensch-Insel im Osten von St. Mat- 
thias; ihre genaue Lage war noch nicht fest- 
gelegt. Nachdem wir am nächsten Morgen die 
Steffenstraße zwischen Neu-Mecklenburg und Neu- 
Hannover durchfahren hatten, kamen wir mittags 
vor Tensch-Insel an. Die Bevölkerung dieses 
kleinen, mit Kokosnüssen gut bewachsenen Eilandes 
ist anscheinend nicht über hundert Köpfe stark. 
Die Leute gehen vollständig unbekleidet. Die 
Männer tragen lange, in drei filzigen Enden über 
die Brust herabfallende Bärte. Die ersten beiden 
Kanoes, welche von Land abstießen, hielten sich 
in angemessener Entfernung. Als jedoch das 
dritte Kanoe längsseit gekommen war und wir 
den Insassen ihre geringen Tauschartikel mit 
Messern und sehr begehrten leeren Flaschen ab- 
gekauft hatten, fuhr die gesamte Flottille der 
Insel heran. Die Eingeborenen waren sehr scheu. 
Keiner ließ sich bewegen, an Bord zu kommen. 
Der beabsichtigte Besuch der Insel wurde bis zu 
einer späteren Anwesenheit des Regierungs- 
dampfers verschoben. Das Vertrauen dieser von 
der Kultur noch gänzlich unberührten Eingeborenen 
ist erst nach mehrfachem Besuche zu gewinnen. 
Am 15. September bekamen wir die zur 
Gruppe der Ost-Karolinen gehörigen Mortlock- 
Inseln in Sicht. Die früher mit Kokosnüssen 
und Brotfruchtbäumen reich bewachsenen Mortlock- 
Inseln haben durch den letzten Taifun stark ge- 
litten. Bei der Durchquerung von Satawan 
konnten wir uns von den furchtbaren Verheerungen 
*) Bericht des Gouverneurs von Deutsch-Neugnuinea 
vom 8. November 1907.
	        
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